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PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS.
Ueber den epischen Cyclus giebt uns allein die Chrestomathie
des Proklos eine zusammenhängende Nachricht und auch einzig
sie überliefert den Inhalt der Epen wenigstens des troischen Kreises.
Dass dieser Umstand und der Mangel an mythographischer Parallel-
überlieferung ihr die grösste Werthschälzung und zunächst unbe-
dingte Autorität verschafften, war nur natürlich. Sie galt und gilt
noch als die Grundlage für jede Reconstruction der troischen Epen
und für jede Hypothese über Art und Umfang des trotz aller aufge-
wendeten Mühe immer noch recht dunkeln epischen Cyclus. Welcker
fusst ganz auf den Angaben des Proklos und bat sich bemüht,
auch die Begrenzung der einzelnen Gedichte, welche dieser über-
liefert, zu vertheidigen. So sind ihm die Kyprien nur eine Ein-
leitung zur Ilias, ein Werk mit grossartigem Anfang — aber ohne
Schluss, nur bestimmt, die Vorgeschichte der Ilias zu erzählen:
und noch heute wirkt diese Ansicht über dies Gedicht fort, von
dessen Beliebtheit die stolze Reihe der aus seinem Sagenkreise ge-
schöpften Tragödien noch nicht so sehr zeugt, als die Menge bild-
licher Darstellungen des sechsten und fünften Jahrhunderts, die
seine Scenen iilustriren.^) Aber auch Welcker sah sich veranlasst,
wenigstens für die Aethiopis und Iliupersis „des Arktinos'% an
deren Zusammenhang er der Gleichheit des Autornamens wegen
glaubte, eine willkürliche Verstümmelung durch Proklos und für
die kleine Ilias die Unterdrückung ihres Schlusses anzunehmen.')
Nur eine Consequenz des Vertrauens auf Proklos ist die Ansicht,
welche die gesammten cyclischen Gedichte in der uns bekannten
Form für jünger erklärt als Ilias und Odyssee, weil sie diese wie
einen Kern umschlössen, welche die cyclischen Dichter zu Nach-
ahmern und Ausbeutern der homerischen Epen macht und sie
1) Vgl. Robert Bild und Lied S. 123 u. s. w. ■
2) Welcker Der epische Gyclas > 11 197 f.
Hermes XXVI. 38
^x^
594 E. BETHE
gewissermassen wie eine Academie organisirt denkt, die das ganze
zu bearbeitende Gebiet des troischen Sagenkreises überblickte und
die einzelnen Theile von einzelnen Mitgliedern nach vorgezeich-
netem Plane ausarbeiten Hess.
Gegen die Autorität des Proklos haben sich mehrfach Be-
denken erhoben: mehr und mehr dringen sie durch. Jetzt ist
diese Frage in ein neues Stadium getreten durch die Veröffent-
lichung zweier Auszüge aus Apollodors Bibliothek von Wagner und
Papadopulos-Kerameus, welche uns ihren verlorenen Schiuss, den
troischen Sagenkreis, wieder schenken. Damit sind wir in den
Besitz mythographischer Parallelttberlieferung gekommen; an ihr
müssen wir des Proklos Epenexcerpte prüfen.*)
Ehe wir an diese Vergleichung gehen, seien kurz die meist
bekannten aber noch nicht ganz gewürdigten Widersprüche con-
statiert, in welchen die Angaben des Proklos zu sonstigen Zeugnissen
über die Epen des troischen Kreises oder zu den nothwendigen
und unabweisbaren Anforderungen stehen, die an ein Gedicht über-
haupt gestellt werden müssen. Man wende nicht ein: diese Epen
seien nur Conglomorate einzelner nicht zusammenhängender Lieder
1) Daran, dass diese beiden mythographischen Schriften Auszuge aus der
Apollodorischen Bibliothek sind, ist ebenso wenig zu zweifeln als daran, dass
der durch sie erst bekannt gewordene Theil aufs engste mit den übrigen
Theilen zusammengehört, also auf dieselbe Quelle zurückzuführen ist. Ich
glaube gezeigt zu haben (Qtiaest. Diod, mythogr,), dass diese Quelle ein
umfassendes zwischen 100 und 44 v. Chr. verfasstes mythologisches Handbuch
war, Quelle zugleich für grosse Stöcke des vierten Buches Diodors, der Hygi-
nischen Fabeln u. s. w. Mithin ist der uns jetzt in der vaticanischen und
Sa baitischen Epitome vorliegende Schiuss der Apollodorischen Bibliothek
jenem selbigen Handbuche zuzuerkennen. Wie könnte man sich auch ein
solches Buch denken, das den wichtigsten und grössten Sagenkreis, den
troischen, nicht behandelt hätte? Die lateinische Epitome dieses Gompendiums,
Hygin, giebt ihn ausfuhrlich fab. 77 — 127. Auch dadurch wird dies grosse
Handbuch als Quelle für den troischen Abschnitt Apollodors erwiesen, dass
die Anordnung genau dieselbe ist wie sie für jenes durch die Vergleichung
der ersten Theile Apollodors mit Diodor, Hygin und einigen Schollen an-
genommen werden muss: als Faden zu Grunde gelegt ist in knappem
Referat die bekannteste Fassung der Sage, also vor allem die llias; an sie
waren die Varianten der übrigen Epiker, der Tragiker u. s. w. mit Quellen-
angabe geschlossen. — Es ist an sich unwahrscheinlich und jedenfalls bisher
unbewiesen (vgl. Wagner Epitome Faticana p. 137, Höfer Konon S. 112),
dass Pseudo-Apollodor Varianten aus alexandrinischer und tragischer Poesie
selbst erst hinzugesetzt habe. S. Quaest, Diod, mythogr, p. 97 u. s. w.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 595
ohne künstlerische Einheit gewesen. Denn das mttsste erst be-
wiesen werden: Uias und Odyssee sind, so mannigfach und schwer-
wiegend auch die Widersprüche im Einzelnen sein mögen, doch
Einheiten und ein dürftiger Auszug der Art, wie Proklos giebt,
würde die Einheit als ein scharf umrissenes Ganze nur um so
deutlicher hervortreten lassen. Es ist doch wahrscheinlich, dass
auch die übrigen Epen Einheiten in dem gleichen Sinne waren.
Sämmtliche Gedichte, die Proklos uns vorführt, sind in dem
Umfange, wie er ihn beschreibt, unmögliche Gebilde. Er giebt zu
viel oder zu wenig bei allen.')
Der Anfang der Kyprien (schol. A 5, A) erzählt, wie Zeus voll
Mitleid für die durch Tausende von Menschen beschwerte Erde
beschlossen hat, ihre Last zu erleichtern, und zu dem Zwecke den
grossen Streit des troischen Krieges unter sie geworfen — und es
mordeten sich die Helden in Troia, und es erfüllte sich des Zeu^
Rathschluss. Dieser Eingang zeugt laut und unwiderleglich, dass
dies Gedicht die Kämpfe um Uion, ja Ilions Zerstörung enthalten
haben muss, und dass es unmöglich vor der Schilderung der
grossen Schlachten stehen geblieben sein kann, wie Welcker auf
Grund von Proklos Bericht annahm.
Die Fragmente bei Pausanias X 26, 1 und 4 über Neoptolemos
und Eurydike, des Aineas Weib, können zwar zur Noth in den
von Proklos gesteckten Grenzen untergebracht werden, würden
aber wohl, wenn diese Begrenzung nicht bekannt und anerkannt
wäre, als Beweise gelten, dass auch der letzte Tbeil des Krieges
und die Zerstörung Troias in den Kyprien behandelt worden sei;
und nicht würde man dann die Notiz des Scholions zur Hekabe 41,
die leider o %a KvnqiayLa noixflOL^ giebt, diesem Epos abstreiten
und als gleichbedeutend mit o tot^ Kvnqiayia^ lajogiag awra^ag
erklären ^), sondern würde in derselben, welche von der Ermordung
1) Bernhardy Grundr. d. griech. Litt. 11 1 S. 247 ; Robert Bild and Lied
S. 223 ff.; V. Wilamowitz Hom. Unters. S. 373 u. s. w. urtbeilen ähnlich.
2) So Welcker Ep. Gycl. IP 164 und v. Wilamowitz Hom. Unters. S. 181
A. 27. Der von letzterem erhobene Einwand gegen die Zugehörigkeit dieses
Fragments zu den Kyprien, die Sage sei zu jung für dies Gedicht, genügt
nicht, es zu verdächtigen: denn wir wissen ja gar nicht, wie jung es ist;
den Eindruck des Alterthums macht seine ganze Sagengestaltung nicht. —
Das Hekabeschoiion 41 führt unmittelbar nach Euripides und Ibykos o tu
KvTiQiaxa noi^aas an. Das ist die Formel, in der gerade die cyclischen
Epen ohne Verfasser von den Gelehrten angeführt zu werden pflegten. Da-
38*
596 E. BETHE
der Polyxena durch Odysseus und Diomedes bei der Eroberung
Ilions spricht, die Bestätigung fOr die Folgerungen aus jenen beiden
Fragmenten und dem Anfange des Epos erblicken.
Auch der erste Theil der Kyprien ist von Proklos unvollständig
gegeben, da er nichts von der Geburt der Dioskuren und der
Helena, die dies Gedicht nach Athen. VIII 334 B besungen hat,
mittheilt ^), wodurch der Zusammenhang des von Proklos berichteten
Kampfes des Kastor und PoUux gegen die Apharetiden mit dem
Qbrigen Gedichte zerrissen ist Aber das kann ihm nicht zum
Vorwurf gemacht werden, da er Vollständigkeit nicht anstrebt.
Der Titel Ald^ionig deutet darauf hin, dass Achills Kampf
mit Memnon den Inhalt oder doch den Mittelpunkt des Gedichts
ausmachte. Da nun der Tod des Sohnes der Eos durch Achills
Hand nach Schicksalsschluss den Tod des Peliden nach sich zog,
so ist es an sich wahrscheinlich, dass auch dieser und das Be-
gräbniss des Achill und auch wohl die mit diesem engverknüpfte
07tX{av xgiaig in demselben Epos erzählt worden war, wie ja auch
die Ilias, das Lied vom Zorne Achills, nicht nur diesen, sondern
auch seine Folgen bis zur letzten, Hektors Besiegung und Be-
stattung, besingt. In der That giebt nun das einzige Fragment
der Aithiopis im Scholion zu Pindars Isthmien III 58 den Selbst-
mord des Aias. Aber gerade dieses ist im Auszuge des Proklos
nicht mehr enthalten, der mit den Worten abbricht: negl tcov
^A%ikXi(ag OTtXcav 'Odvaaei xat ^iavzi OTaaig kpinin%u\ sondern
gegen ist mir diese Wendung im Gitate eines historischen Werkes nicht be-
kannt, und in diesem Falle wäre sie so allgemein auch sehr unpraktisch, da
eine ganze Reihe von Männern KvnQuzxd geschrieben haben; man müsste
wohl den Ausfall des Namens annehmen. Durch schol. Androm. 898 wird
dieser Anstoss nicht beseitigt. — Endlich ist es auch an sich durchaus nicht
unwahrscheinlich, dass das cyclische Epos ebenso gut Kvngiaxd wie Kvnqta
genannt worden ist; heisst es doch bei Proklos 6ia T/jy (^laaiyov) nargida
Kvnqia rby nopov knudkfi^riyai^ also 'Kyprisches Epos'. Da nun KvnQiaxos
ebenso gebräuchlich wie Kvn^iog ist, konnte ein Gelehrter, der diesen Titel
ebenso erklärte, ganz wohl, diese Ansicht markirend, das Gedicht KvnQUMa
intj nennen.
1) Robert vermnthet, dass die Geburt der Helena und der Dioskuren iy
nagexßdaii erzählt war und zwar von der Aphrodite im Gespräche mit Paris.
Jedenfalls war diese Geburtsgeschichte für den Zusammenhang von Bedeutung
und durfte von einem gewissenhaften Excerptor nicht übergangen werden.
2) Ueber die Version der onX<oy xQints in der Aithiopis: Robert Bild und
Lied S. 221.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 597
*
ist erst unter der Deberschrift 'Kleine llias' erzählt. Das ist
gravirend.
Dagegen beginnt nach Proklos die Aithiopis mit der Geschichte
der Penthesilea. Schwerlich wird dieselbe den Anfang dieses Epos
gebildet haben, wenn es anders überhaupt eine Einheit hatte, was
doch der abgerundete aus dem Titel schon zu erschliessende In-
halt: Zweikampf des Achill und Memnon mit all seinen Folgen,
wahrscheinlich macht. Die Penthesileasage ist jung^) und in sich
abgeschlossen. Sie möchte daher wohl in einem einzelnen kleinen
Epos besungen worden sein, wofür auch der Umstand geltend
gemacht werden könnte, dass dasselbe so leicht und ohne weiteres
an den letzten Gesang der Uias angeschlossen worden ist.') Zur
Aithiopis aber gehört sie eben so wenig oder eben so sehr, wie
zur llias.
Dass überhaupt kein Gedicht mit dem Streit des Odysseus und
Aias um Achills Waffen begonnen und mit dem Freudenfest der
Troer über den vermeintlichen Abzug der Griechen geendet haben
kann, wie dies Proklos von der kleinen llias behauptet, ist ohne
weiteres klar.') Das Zeugniss des Aristoteles (Poet. 23) und die
sicher bezeugten Fragmente ergeben, dass die Anfahrt der Griechen
nach Troia (schol Lykophr. 780), Achills Fahrt nach Skyros (schol.
T 326) , und die Eroberung Troias (Tzetzes Lykophr. 344, 1263),
d. h. also der ganze Krieg von Anfang bis Ende in der kleinen
llias erzählt war^), wozu trefflich ihr Prooimion passt:
lyc; n€gc noXXä nad^ov //avaol x^ega/iovxeg 'Itigrjog.
Ebenso unmöglich ist der Anfang einer Uiupersis, wie ihn
Proklos giebt.
Die Noavoi des Proklos bilden keine Einheit, sondern sind
eine Summe von einzelnen, ihrem Ursprünge nach durchaus hetero-
1) V. Wilamowitz Hom. Unters. S. 407 n. 5.
2) y. Wilamowitz Hom. Unters. S. 373; 355 n.37. — Auch der ^homerische
Becher' D bei Robert (50. Berliner Winckelmanosprogramm S. 26) verbiadel
*1SxTOQog XvTQa (1) mit der Ankunft (2) und dem Tode (3) Penthesileas. Ebenso
ein römischer Sarkophag: a. a. 0. S. 29.
3) Robert Bild und Lied S. 223, Homer. Becher S. 37; v. Wilamowitz
Hom. Unters. S. 154; Noack Uiupersis (Gissae 1890) S. 79.
4) V. Wilamowitz Hom. Unters. S. 152—154 spricht auch die Klage der
Achaier um Aias (A 558), Antilochos (X 468) und Memnon {X 522) der kleinen
llias zu.
598 E. BETHC
geDen HeimkehrliederD , aber es könnte ein solches Sammelepos
existirt haben.
Auch was Proklos als Inhalt der Telegonie mittheilt, kann
niemals ein Gedicht gebildet haben, und ganz und gar nicht hätte
einem solchen, wenn es existirt hätte, dieser Titel beigelegt werden
können. Abgesehen von dem ersten Theile der proklischen vTtO"
^eaiQj welchen man als einen Schluss der Odyssee bezeichnen
könnte und, insofern er Odysseus nach Elis (und auch wohl nach
Arkadien)^) brachte, sagengeschichtlich für sehr alt halten muss,
bezieht sich das eine Stück auf Thesprotische Odysseussagen, und
nur das zweite auf Telegonos. Da nun ein selbstständiges Epos
Thesprotis nicht nur durch Aristobul bei Clemens Strom. VI 266 S.,
sondern auch durch ein Gitat bei Pausanias VIII 12, 5 bezeugt
ist^), so kann die Behauptung des Proklos, alle jene Sagen hätten
in der Telegonie gestanden, nicht bestehen.
Von den Epen also, für die wir einige Gontrolle durch directe
Fragmente haben, Aithiopis, kleine Ilias und auch lliupersis, können
wir mit völliger Sicherheit behaupten: sie hatten einen anderen
Umfang als Proklos angiebt. Das ist für diese auch anerkannt,
merkwürdigerweise aber, wie es scheint, nicht für die Kyprien,
für die doch dasselbe billig wäre und mir schon aus dem Anfange
derselben sicher zu folgen scheint. Jedenfalls ergiebt sich, dass
Proklos wenigstens für die Frage nach den Grenzen der Epen ein
unglaubwürdiger Zeuge ist.
Das wusste man längst und ebenso wusste man, dass er auch
nicht rein und sauber den Inhalt der Gedichte giebt, sondern mit
fremdartigen Bestandtheilen versetzt. Urkundlich sicher ist, so viel
ich weiss, nur eine dieser Sünden: nach Proklos wurde in den
Kyprien wie in der Ilias Z289 Paris mit der geraubten Helena
von Sparta nach Sidon verschlagen; aus Herodot II 116 aber wissen
1) Vgl. Svoronos Ulysse chez les Arcadiens et la TSl^onie d'Eugamon,
Gazette archSologique vol. XIII (1888) p. 257 ff. lieber das Verhältniss von
Thesprotis zn Telegonie v. Wilamowitz Hom. Unters. S. 350. 347.
2) Nach Pausanias hat die Thesprotis erzählt, Penelope habe dem heim-
gekehrten Odysseus einen Sohn Ptoliporthes geboren. Das steht zwar nicht
bei ProkloSy aber das sabaitische Apollodorexcerpt Bh. Mus. 1891 S. 181 Z. 1
giebt dasselbe nach dem Berichte über des Odysseus Thesprotische Abenteuer
und vor der Telegonie. — Aristobul als Quelle des Clemens Strom. VI:
y. Wilamowitz Hom. Unters. S. 347.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLÜS 599
wir, dass Paris nach den KyprieD im Gegensatz zur Ilias bioDen
drei Tagen von Sparta nach llion kamJ) NatQrlicb ist es sonst
sehr schwer, solche Interpolationen in den Excerpten des Proklos
überzeugend nachzuweisen, weil andere Zeugnisse fehlen. Aber
auf Grund dieses eclatanten Falles darf man oder muss man, wie
Robert R. u. L. 247f. sehr richtig betont hat, gegen alle auf-
fallenden Uebereinstimmungen mit Homer Verdacht hegen.
Deren haben Kirchhoff') für die Kyprien und Robert für die
Nosten gesammelt. Da diese Zusammenstellungen jedoch nicht ge-
nügend beachtet sind, und Letzterer Missbilligung von Christ und
Wagner erfahren hat, so dürfte es nützlich sein, in diesem Zu-
sammenhange einige vorzuführen.
B 303 ff. erzählt Odysseus ausführlich das von Kalchas in
Aulis gedeutete Zeichen der Schlange, welche acht junge Spatzen
mit der Mutter gefressen; dasselbe wird genau so und ohne jeden
Zusatz von Proklos in den Kyprien erwähnt.
Y 90 ff. erwähnt Aineas, Achill habe ihn schon früher auf dem
Ida, wo er die Rinder gehütet, in die Flucht gejagt, und Lyrnessos
und Pedasos zerstört. Damit vergleiche man des Proklos Worte r^
im Kyprienexcerpt : na/teLza aTtelavvei (^^x'^^^^^s) '^^S ^ivetov
ßovg -Koi ^vQvrjabv jtai Ilijdaaov nog^sl.
^ 500 singt Demodokos, wie die Troer ohne weiteres das
hölzerne Pferd auf ihre Rurg gezogen und dort drei Meinungen
geäussert hätten, es zu öffnen, oder es herunterzustürzen, oder es
als Weihgeschenk stehen zu lassen. Ganz ebenso nehmen bei
Proklos am Schlüsse der kleinen Ilias die Troer das Pferd in die
Stadt ohne weiteres auf, und im Anfange der Iliupersis wird vor-
geschlagen, es herabzustürzen, oder zu verbrennen, oder als Weih-
geschenk stehen zu lassen.
y 130 erzählt Nestor vom Zwiste zwischen Agamemnon und
Menelaos nach Troias Zerstörung über die Abfahrt, und wie er
selbst und Diomedes zuerst abgesegelt und glücklich heimgekehrt
seien. Genau dasselbe giebt Proklos zum Theil mit wörtlicher An-
lehnung im Reginne der Noaioi.
y 304 — 312 wird die Ermordung des Aigisth und die Heim-
kehr des Menelaos in so ^augenfälliger Uebereinstimmung' mit Pro-
1) Usener Rhein. Mus. 1868 S. 344 n. 84; Robert Bild und Lied S. 247.
2) In seiner Dissertation: QuaesUonum Homericarum particula p. 16 ff.
(Berlin 1846).
600 E. BETHE
klos erzählt, ^dass der Verdacht sich unabweisbar regt, der Verfasser
der Hypothesis habe nicht die Nosten, sondern diese Odysseestelle
vor Augen gehabt'/)
Zweifel gegen des Proklos Glaubwürdigkeit sind also nach allen
Richtungen hin berechtigt, sie sind auch Pflicht. Eine Grenze
ihnen zu ziehen, geht nicht an, und das natürliche Resultat ist
höchste Skepsis. Dennoch braucht man die Annahme nicht ganz
aufzugeben, dass thatsächlich den Inhaltsangaben des Proklos direct
aus den Epen gezogene Uebersichten zu Grunde lägen. Ganz ent-
schieden hält das auch noch von Wilamowitz fest (Hom. Unters.
S. 357/8), aber er stellt sie doch gleich mit den sog. Bilderchro-
niken und den mythologischen Handbüchern ApoUodors und Hygins
zusammen. Bernhardy (Gr. d. griech. Lit. ü 1, 240 ff.) betrachtete
sie als eine ^Wiedergabe des Cyclographen Dionysios im verjüngten
Maassstabe'. Usener (Rh. Mus. 1868 S. 344 n. 84) nimmt ein
mytbographisches Handbuch als Quelle an, das die Continuität der
beiden classischen Epen mit den nicht mehr gelesenen Theilen des
Cyclus hergestellt habe.
Jetzt können diese Hypothesen geprüft werden : denn wir be-
sitzen nun in dem Schlüsse der apollodorischen Bibliothek ein
solches Handbuch des troischen Sagenkreises.
Das von Wagner publicirte Vaticanische Apollodorexcerpt ist
leider am Anfange des troischen Krieges mager und lückenhaft
und bricht mit dem Nostos des Menelaos ab. Dort austuhrlicher
und eben fortlaufend ist das Jerusalemer Excerpt, das Papadopulos-
Kerameus mit Büchelers kritischer Beihilfe im Rheinischen Museum
XLVl 1891 S. 165 0*. herausgegeben hat. Sein erster und wichtigster
Abschnitt, überschrieben yiveaig Trjg 'Ekhrjg iv e/iiTOfA^ xai
a{}7iayri %ai akcDOig trjg Tgoiag giebt den gesammten troischen
Sagenkreis einschliesslich der Nosten bis zum Tode des Odysseus
und dem Schicksale seiner Söhne. Beide Auszüge sind natürlich
für den Gebrauch zu vereinigen, was die wörtliche Uebereinstimmung
leicht macht.
Eben denselben Stoß* giebt Proklos in ebenso fortlaufender
Erzählung, welche zwar durch seine eingestreuten Bemerkungen,
wie e^fjg d' iotiv ^Ikiddog f^ixgag ßißlia d' und CTtetai de vov-
1) Die letzten drei Beobachtangen hat Robert gemacht: Bitd und Lied
S. 203. 247. 162.
J
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 601
Toig 'lUov nigaidog ßtßXia ß' u. s. w. zerstückt, aber nicht eigentlich
unterbrochen wird. Nur finden sich bei Proklos keine Varianten,
welche in den Apollodorexcerpten noch ziemlich zahlreich durch
OL de, üg Tiveg u. s. w. eingeführt, doch nur noch selten mit vollem
Citat belegt vorhanden sind, wie sie es in der letzten Quelle, dem
grossen vorchristlichen Handbuche waren. Die genauere Vergleichung
der Epenexcerpte des Pioklos mit ApoUodor, die Jeder zunächst
zur Feststellung der Quellen des letzteren vornimmt, führt zu merk-
würdigen Beobachtungen, Vermuthungen, schliesslich zur Gewissheit.
Dass die Reihenfolge im Grossen und Ganzen bei Beiden die
gleiche ist, erscheint natürlich, dass sie auch manche Einzelheiten,
zwischen denen wir einen Zusammenhang nicht auffinden können,
auf dieselbe Weise verbinden, wird man durch die gleiche Urquelle,
das von Proklos ausgezogene Epos erklären. Z. B. beim ersten
Aufenthalte des Heeres in Aulis erzählen Beide nur das aus B 310 ff.
bekannte Zeichen und seine Deutung durch Kalchas, beim zweiten
Aufenthalte erst das Opfer Iphigeniens. Auf die Ermordung des
Troilus folgt bei Beiden die Gefangennahme des Lykaon durch
Achill, die wir aus (P 35 ff. kennen.*) Was wir aus y 130 — 183
wissen, den Streit der Atriden nach der Einnahme Troias, die Ab-
fahrt und glückliche Heimkehr des Diomedes und Nestor erzählt
ApoUodor, wie Proklos im Anfange der Noütoi. Auch die Folge
der übrigen voaxot ist bei Beiden dieselbe: Menelaos, Kalchas; dann
Abfahrt des Agamemnon mit Aias u. a., Sturm und Untergang des
Aias; darauf nicht, wie man erwarten sollte, Rettung des Agamemnon
aus dieser Gefahr, seine Heimkehr und Ermordung, sondern bei
Proklos wie in Wagners Excerpt steht erst der Nostos des Neo-
ptolemos.
Aber wie soll man erklären, dass ApoUodor, der das Paris-
urtheil, die Fahrt und Aufnahme des Alexandros bei Menelaos und
die Entführung der Helena dem Kyprienexcerpt des Proklos ent-
sprechend berichtet hat, ebenso, wie dieser in den Kyprien,
fälschlich angiebt, das Paar sei durch einen von Hera gesandten
Sturm nach Sidon verschlagen? Könnte es etwa Zufall sein, dass
auch in den Apollodorexcerpten diese Version der Ilias ohne irgend
eine Andeutung anderer Herkunft der Erzählung der Kyprien ein-
1) tp 40 verkauft Achill selbst den Lykaon in Lemnos; doch notirt
schol. Tw. 41 iaws xiXevaas JlatQoxXtp, wie auch Proklos diesen als Ver-
käufer nennt.
602 E. BETHE
verleibt ist? Id Apollodörs Quelle, dem grossen mythologischen
Häodbuche, hat eine solche Notiz sicher gestanden, war auch wohl
die Version der Kyprien neben der des Homer und des Stesichoros
erwähnt, aber sie ist wie so viele in dem Auszuge, der Apollodörs
Namen trägt, fortgelassen. Es wäre doch gar merkwürdig, wenn
in einem von diesem Handbuche durchaus unabhängigen Excerpte
der Kyprien derselbe Zusatz aus der Ilias gemacht worden und
ebenso, wie in der Epitome jenes, die Anmerkung der fremden
Quelle fortgefallen wäre. Und noch merkwürdiger wäre es, dass
die Verfasser dieser beiden unabhängigen Arbeiten so ähnliche Worte
gebraucht hätten:
Proklos :
aza ytTTjfjiaTa ivd-ifiBvoL
vvKToq anoTiXiovaiv. x^^f^^^^
de avtolg €q)lrjaiv^) ^tlga ycai
Tigoaevex^Big ^idaivi 6 ^AXf^av-
ögog algBi lijv noXtv.
Apollodor :
...kv&efx^vrjtaftXsloTa
%wv xgrjfjiäzijjv avayeTot %TJg
vvxvbg avv av%(^. ^Üga de av-
Tolg emnifjiTtei ^ei^ciii'a noXvvy
vq>* ov ßiaad-Bvxeg ngoaloxovai
Es regt sich der Verdacht, Proklos stehe zu Apollodor in
einem bedenklich nahen Verwandtschaftsverhältniss. Doch muss erst
versucht werden, die in Rede stehende Erscheinung aus der über-
kommenen Ansicht über die Herkunft der Epenexcerpte des Proklos
zu erklären. Dass Proklos die Gedichte selbst ausgezogen habe,
glaubt heute Niemand mehr, man nimmt vielmehr an, er habe aus-
führliche von einem Gelehrten vor Christi Geburt gefertigte vrto-
d^^oeig der cyclischen Epen benutzt. Ich will gern zugeben, dass
der zwar sehr belesene Verfasser des grossen mythologischen Hand-
buches, aus dem Apollodor nur eine Epitome ist, die Epen nicht
selbst für sein Werk ausgezogen, sondern schon vorliegende Ex-
cerpte benutzt hat, dieselben, welche, wie man meint, bis zu Proklos
durch viele Hände gelangt sind. Nothwendig müssen wir uns dann
diese Auszüge als zuverlässige, wissenschaftliche Arbeiten vorstellen,
also der Art, dass ein jedes Epos für sich rein, ohne fremde Zu-
sätze und in seinem ganzen Umfange ausgezogen war, so dass dies
Excerpt für den, der nur den Stoff, die Sage brauchte, als ein
Surrogat des Gedichtes bequem nutzbar war. Aber Proklos giebt
1) So Weicker für itplaitiaty. Es empfiehlt sich diese Aenderung auch
durch das ininifAnti Apollodörs.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLÜS 603
weder den Inhalt rein, noch den Umfang der Epen genau. Man
erklärt Beides durch die Forderung der Schule, welche eine zu-
samaienhängende und mit Ilias und Odyssee übereinstimmende Er-
zählung der Ante- und Posthomerica brauchte. Darauf ist aber
zu antworten: da konnte Proklos — oder sein Mittelsmann —
die Mohe sparen; denn das mythologische Handbuch und die aus
diesem für Nichtgelehrte, für die Schule hergestellten Epitomen,
wie ApoUodor und Hygin, genügten vollständig dem Bedürfniss
der Schüler, welche den ganzen troischen Sagenkreis kennen lernen
sollten zum besseren Verständniss des Homer: auch diesen lagen
die cyclischen Epen zu Grunde, aber ausgestattet mit Bemerkungen
über die andern Sagenversionen. Doch neben diesen höchst practi-
schen und inhaltreichen Handbüchern konnten ja noch die Epen-
excerpte rein und unverkürzt weiter fortbestehen — was zwar nicht
sehr wahrscheinlich, da kein Bedürfniss mehr für sie vorhanden
war, aber möglich ist; und möglich ist es ja auch, dass ein recht-
schaffener Schulmann oder Gelehrter auf diese, als die ersten Quellen,
zurückgriff. Merkwürdig bliebe dann aber doch, dass er so sehr
gekürzt, dass er die Reinheit, auf die es ihm dann wohl haupt-
sächlich ankommen musste, durch Zusätze aus Homers Ilias und
Odyssee wieder trübte — die Angabe der verschiedenen Quellen
könnten ja Schreiber oder der Excerptor der Chrestomathie fort-
gelassen haben — und dass er ihre Grenzen so ganz und gar
nicht wahrte, sondern willkürlich und roh den Umfang verstümmelte.
Und noch merkwürdiger wäre, dass er in seinem Kyprienexcerpt
gerade die Version der Kyprien über die Rückfahrt des Paris von
Sparta ganz unterdrückt hätte, deren Widerspruch gegen die ver-
steckte Iliasstelle Z 290 — 292 zu entdecken, doch andere Leute
gehören, als Schulknaben und 'Gelehrte' des vierten nachchrist-
lichen Jahrhunderts. Und nun kommt noch dazu, dass des Proklos
Ausdrücke, Worte, Wendungen denen Apollodors so ähnlich sind.
Kann diese Thatsache genügend erklärt werden aus der Annahme
einer gleichen, fünf Jahrhunderte zurückliegenden Quelle, den Ori-
ginalexcerpten der Epen, die durch so viele Hände hier wie dort
gegangen? und selbst dies zugegeben — wie kommt es, dass
Proklos und ApoUodor nicht nur in dem Kyprienexcerpt die gleiche
Wendung brauchen: tcc nX^lava xTrjfdava (twv xqr^fioivwv Ap.)
ivri&ead'ai, sondern auch in dem Zusätze aus der Ilias, der doch
in dem Originalkyprienexcerpt , ihrer supponirten gemeinsamen
604 E. BETHE
Urquelle, nicht gestanden haben kann, so ähnliche Sätze bauen und
so ähnliche Worte anwenden?
Die überkommene Ansicht über die Herkunft der Proklos-
excerpte führt zu einer Un Wahrscheinlichkeit über der andern.
Um so mehr stärkt sich der Verdacht der engen Verwandtschaft
derselben mit Apollodor. Nur eine genaue Untersuchung kann ihn
beweisen oder widerlegen. Gehen wir also die einzelnen Abschnitte
von der Telegonie nach den Kyprien zu durch und achten besonders
auf die z. Tb. schon von Wagner beobachteten häufigen wörtlichen
Anklänge. Dabei ist aber zu bedenken, dass wir nur zwei Auszug e
aus Apollodor, einer Epitome des mythologischen Handbuches haben,
dass wir also unter keiner Bedingung erwarten dürfen, alles, was
Proklos bietet, auch bei Apollodor und umgekehrt zu finden; wir
werden uns vielmehr begnügen müssen, eine Verwandtschaft zwischen
beiden etwa der Art, wie zwischen Apollodor und anderen Aus-
zügen seiner Quelle, Hygin, Diodor und einigen Scholien zu con-
statiren, und müssten auch einen solchen Beweis, wenn nicht als
schlagend, so doch als wahrscheinlich anerkennen. Besonders fühl-
bar macht sich die Dürftigkeit der ApoUodorüberlieferung am
Schlüsse, wo wir nur den Jerusalemer Auszug haben, und im An-
fange, wo der Vaticanische sehr lückenhaft ist. Hygin, der als
Vetter ApoUodors herangezogen werden darf, ergiebt nur wenig.
Proklos
Tfjleyovog inl ^rj-
vrjoiv % ov n a% Q b g
nXswv, artoßäg eig ^It^d-
Kcrjv tifjivBL %f]v vrjaov. €x-
ßot]^rjaag d' 'Oäva*
asvg ... avaiQeltai.
Apollodor. Sabait.
Trjliyovog de . . . €7ii ttjv
tovTov (sc. Tov TiatQog) I^i^z7jaiv
süTtkeL naQayevofxevog di elg ^I-d-cc
xYjv TTjv vrjaov anel-aße %iva %wv
ßooxrjf^idtwv , xai ^Odvaaea ßor]-
x^ ovvra ... tiTQüiaxet xo< Odva-
aevg S'vi^aicBu
Bei Apollodor fehlt die Erwähnung, dass auch Telemach zur
Kirke kommt und diese heirathet; doch findet sie sich bei Hygin 127.
Dass diese nach Apollodor ihren Sohn und Penelope auf die Inseln
der Seligen sendet, ist nur ein genauerer Ausdruck für das o^a-
vaxovg noielv des Proklos.
Was Proklos im Anfange der Telegonie erzählt, fehlt im Jeru-
salemer Apollodor, dafür giebt dieser aber ausführlicher die k 120 ff.
von Teiresias angedeutete Sühnung des Odysseus. Uebereinstim-
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLÜS
605
mcnd berichten darauf Beide des Odysseus Ehe mit Kallidike der
Thesprotenkönigio , seinen Kampf mit ihren Nachbarn, über den
Proklos Genaueres mittheilt, den Tod der Kallidike, die Uebergabe
dieses Reiches an Polypoites, den der Held mit ihr gezeugt, und
des Odysseus Rückkehr nach Ithaka. Dort findet er nach Apol-
lodor den inzwischen ihm von Penelope geborenen Sohn TIoli"
TcoQS^q.^) Davon weiss Proklos nichts, Pausanias VIll 12,5
bezeugt aber, dass dies im Epos Thespro tis gestanden habe,
eben jenem, dessen Auszug offenbar Proklos im Anfange dieses
Gapitels giebt.
Nostoi. Der Streit des Atriden ist bei Beiden gleich erzählt.
Proklos
^iOfLirjSrjQ de xal Nbotvjq
avax^^v^Bg elg Trjv oixeiav
jU€^' ovg kuTckevaag 6 Mevi-
kaog fieta nivte vbvjv elg
^lyvTtTov Tiagayiverai, nwv
koiTtwv d la q)'d'ag€ia(ov
vewv iv %(fi fceXdyei,
OL de TiBQi KaXxctvTa xal ^e-
ovtia aal noXvTtoUijv fts^fj
Tcogevd'ivieg eig Koh)q>iüva
Kdkxcevva (emend.) kvTav-
d' a TslevTi^aavva d'arttova i.
ApoUodor. Vatic. Sab.
avaxd'ivT Bg de ^tofxrjdrjg
aal Nia%(j}Q evTtloovai {-Kai
Mevekaog ofxa Vat. false),
M.evil.aog de fjie%d tovvwv
Xei/iiüivi negiTieacüv, %wv Aoe-
Tcwv aTtokofievwv ayia^
qxjüv^ 7tiv%e vavaiv elg
^%yv7t%ov dg>ütvetvai.
^Afji.q)iXoxog de xae KdXxag "Kai
^eovTevg xal Tloöaleigiog aal
nolvTtevTrjg . . . e/ri KoXoqxSva
Tte^fj Ttogev ovTai nanel
y^aTtTOvai KdXxcivva.
Diese Nebeneinanderstellung spricht für sich. Im Folgenden
fehlt im ApoUodor das warnende Eidolon Achills, während er den
Sturm viel ausführlicher giebt, als Proklos.
Proklos
NeoTtToXefjiog dh Q^vidog
VTto^efievrjg Tte^y Ttoiet-
Tai Trjv Ttogeittv . . . xai ve-
XevTrjaavTa 0oivixa ^dn-
Tel.
ApoUodor. Vat.
NeoTttoXefiog de , . . vnO"
d"rjKaig vjjg Qetidog elg
MoXooaovg n:eZfj dnrjev ...
xoi nagd ti^v odov dnod'avovta
(Doiviyca S-dmei.
1) U. V. Wilamowitz' Zweifel (Bom. Unters. S. 188), ob noXvnoizris
(Proklps) und JloXinogd'rjf (PauBanias) nicht derselbe Name seien ^ ist durch
den Fond von Papadopulos erlediget.
606 E. BETHE
Vom Zusammentreffen des Neoptolemos und des Odysseus in
Maroneia schweigt Apollodor. Die bei Proklos folgenden Nostoi
des Agamemnon und Menelaos erzählt Apollodor ebenfalls in dieser
Folge, aber viel ausführlicher.
Die Iliupersis des Proklos stimmt im ersten Theile, der Be-
rathung über das hölzerne Pferd auf der Burg, der Veranstaltung
des Befreiungsfestes und der Erscheinung der beiden Schlangen
bei demselben fast wörtlich mit Apollodor überein. ^) Im Folgenden
dagegen finden sich mehrere bedeutende Verschiedenheiten. Wäh-
rend bei Proklos die Schlangen Laokoon und einen seiner Söhne
tödten, und Aineias durch dies Zeichen bewogen die Stadt ver-
lässt, fallen bei Apollodor die beiden Söhne Laokoons den Unge-
thümen zum Opfer und Aineias verlässt erst während der Nykto-
machie Troia, den Vater auf den Schultern. Auch über Kassandra
und Aithra weicht Apollodor ab, über dessen Quelle für letztere
Scene Wagner S. 240 eine hübsche Vermuthung begründet. Da-
gegen scheint er mir Proklos wie Apollodor Unrecht zu thun, wenn
er verschiedene Quellen für folgende Sätze annimmt.
Apollodor
oi artb Teveöov ngoa-
ink^ov xai 2ivwv aifvoig
and Tov 'Axtkkifog ratpov
Proklos
xal 2lvüjv %ovg nvQOOvg
avtaxei Tolg ]Ax<xioig, TtQO-
jBQOv eloelrjXvd'wg TtQoajtolri-
%og, ol d h Ix Teveöov
ngoGTtXevaavTeg aal . . .
Die Iliupersis war viel besungen ; daher treten hier mehr Va-
rianten auch in den so dürftigen Auszügen zu Tage, als sonst. Doch
sind schlagende Concordanzen vorhanden am Anfang wie'^in der
Mitte und am Ende.
TtVQOOV ^Tttev,
Proklos
ol Tgüieg . . . ßovXevovzai
OTi xQTj Ttocelv ' aal 'tolg fiev
donel yLajaycgrjfiviaai av%6v^
jolg de ycaTaq>X€y€ IV, ol öe
Apollodor
ol Tgüieg . . . ißovXevovvo,
TL xQV ^oielv • . . ToZg fxev
idoxei Tcataxaleiv, voZg 6e
xaia ßagad'gwv aq>iivai. öo^av
1) Bemerkenswerth ist die UebereiDStimmung mit Hyg. fab. 108, in der
nur die Namen der Helden im hölzernen Pferde aus Vergil interpolirt sind,
und diesem zu Liebe die nicht mit ihm stimmende Laokoonepisode fortge-
lassen ist.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLÜS 607
de totg TtoXlolg %va avrov la-
00)01 ^eiov avalhifjLa,
TQanivxeg ItzI ^voiav bvoj^
XOVVTO»
NeomoXsfios fikv ini %ov
igxeiov Jiog ßwfÄOv 'Ka%aq>Bv--
yovta Üglafiov avelkev.
Mavikaog de /Jr}lq)oßov xteivag
^EX4vr]v ini tag vavg äyei . . .
nolv^hrjv de btcI t(^ ^Axi^Xetag
rdq)(l) ycaTioq)a^av.
legbv aifvbv Sq)aoav deiv Tjj
'A^v^ avaTß^vai,
TgaTtivTeg öi eig €vq)Q0Ovvf]v
Bvcaxovvvac.
NeoTiTokefÄOg fjiiv anoKTelvei
Jlgia^iov enl rov tov ^ibg vov
igxeiov ßwfxov xaTaq>vy6vTa.
MeviXaog de ävevgwv 'EXevrjv
ini vag vavg xatayei, ^r]lg)0'
ßov q)ovevoag . . .
nolv^evrjv oq)ayia^ovoi ini tov
TOV ^AxiXXimg %aq)0v.
Die UebereiDstimmuDg der Reiden in den drei Vorschlägen,
das hölzerne Pferd entweder zu verbrennen oder herabzustürzen
oder zu weihen, ist um so gravirender, als der erste von d" 507
abweicht, welche Stelle sonst derartig mit dieser ganzen Partie
übereinstimmt, dass man sie für die letzte Quelle halten möchte.^)
In der kleinen Ilias wird nach Proklos Philoktet auf Rath
des Helenos herbeigeholt, nach ApoUodor auf Refehl des Kalchas
vor Gefangennahme des Helenos, von dessen Rewerbung um Helena
jener nichts weiss. Und doch wird Jedem die enge Verwandt-
schaft auch dieser Partie auffallen.^) Rei Proklos ist es Machaon,
bei Apollodor Podaleirios, der den Philoktet heilt. t)ie Spionage
des Odysseus und der Raub des Palladion sind bei Apollodor in
1) Vergil Aen. II 35 ff. hat merkwürdig genag die Odysseestelle ^ 500
mit der des Proklos und Apollodor verbunden, so dass er vier Vorschläge
erhielt: herabstürzen, verbrennen, Öffnen, weihen — was nicht gerade geist-
reich ist, da die beiden ersten auf dasselbe herauskommen: s. Robert Bild
und Lied S. 203. Diese Beobachtung ist einer der Punkte, von dem die
Quellenuntersnchung der Vergilischen Uiupersis auszugehen hat. Da ich über-
zeugt bin, dass die drei von Proklos und Apollodor fiberlieferten Vorschläge
bis auf den einen ebenso wie die ganze Erzählung von der Aufnahme des
Pferdes in Troia, die Proklos freilich zu einem Theil der kleinen Ilias, zum
andern der Uiupersis zuertheilt, aus & 500 stammt, folgt für mich, worauf ich
auch durch die Untersuchung der Laokoonepisode u. s. w. geführt bin , dass
Vergil das mythologische Handbuch benutzt hat — und nicht die alten Epen,
was Noack, wenn ich recht verstehe, sich zutraut wahrscheinlich machen zu
können: Uiupersis S. 58.
2) Doch will ich keineswegs Wagners Ausführungen Epit Fat, p. 217
entgegentreten.
608
E. BETHE
ein Abenteuer zusammengezogen. Bezeichnend für die Unzuver-
lässigkeit der Angaben des Proklos über die kleine Uias ist, dass
er, wie ApoUodor in der Erzählung, ganz allgemein ^die besten
Helden' in das hölzerne Pferd steigen lässt, während eine hin-
zugefügte Variante, welche auch noch die beiden ApoUodor-
auszüge erhalten haben, durch directes Citat bezeugt, dass nach
der kleinen Ilias 3000 Griechen sich in dem Kolosse verbargen.
Auch hier sind wörtliche Anklänge nicht selten auch in den chro-
nologisch nicht ganz übereinstimmenden Stellen.
Apollodor
. . . TOVTOv (TrjX€q)Ov)
agiozevoavTa NeoTizoXefxog
(Odvaaevg) dh iavTOv aiyti-
aa/Äevog . . . eig ztjv n6l.iv
eia^QXBzai wg eTtaitrjg' yvio-
giad-elg Ö€ vg>* ^Elivrjg , ..
. . . xal xovg fikv agiazovg
kfjißißal^ova IV eig tov ?;r-
TIOV . . .
. . . %ovg de ^omovg, ... ifi-
TCQifiaavxag vag aurjvdg,
avax'K^evxag erti tfjv Tive-
dov vavloxeiv (vgl. p.68 1. 18 sq.
Vat. p. 172 1. 35 sqq. Sab.).
Für die Aithiopis giebt Apollodor nur dürftiges. In den bei-
den vorliegenden Auszügen fehlen Berichte über die Folgen der Er*
mordung des Thersites, über die Prophezeiung der Thetis, über die
auf Eos Bitte dem Memnon gewährte Unsterblichkeit. Die Discre-
panz zwischen Apollodor und Proklos in Betreff des Ortes, wo
Achill begraben, ist nur scheinbar; denn die Worte im Vaticanischen
Excerpte p. 66 1. 25 sind, wie Wagner S. 213 richtig bemerkt,
offenbar corrupt oder doch verwirrt, obgleich sie das Jerusalemer
Excerpt ebenso giebt. Die enge Verwandtschaft zeigen auch in
diesem Abschnitte wörtliche Anklänge:
Proklos
. . . ag LOzevovra avzöv
(Trjkeq)Ov) anoKxeivei NeoTtzo-
kefnoc.
^Odvaaevg ze aixiaafievog
eavzov xazaanoTtog eig
^tliov nagaylverai xal yvo)-
giüxf'elg vcp* 'EXivrjg . . .
e/teiza eig zov dovgetov LTtrtov
zovg dglazovg ifAßißa-
oavzeg
zag ze axrjväg 7iazaq>l€~
^avzeg ot l o i tt o l z(ov ^Ellrj"
vwv eig Tiveöov avayovzai.
Proklos
^^XikXevg Qegalzrjv ^vaigel,
Xoidogrj^elg ngog avzov • . .
Apollodor
(AxiXXsvg) lizeivei &egalzrjv
Xoiöogovvza avzov
• .
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 609
xai negl tov ntiofiarog
yevofÄivrjQ iaxvgäg fAccxrjg
u^iag ävelofÄSvog irtl vag
vavg xo/nl^ei.
yevof^ivrjg öi f^axtjg negi
%ov vBXQOv uilag . . . {Fkav-
üov) onXa dlöaiOLv ini tag
vavg KOfil^eiv, to de aw^ia
ßaazaaag . . . dirjveyycev*
Kyprien. Ihren Anfang, den wir aus schol. ^ 5 kennen,
giebt ApoUodor, wenn auch schief, offenbar gen.auer wieder, als
Proklos, dem man die Benutzung von Originalexcerpten vindicirt.
Denn dieser sagt nur: Zeus berathschlagt mit Themis über den
troischen Krieg, während jener erzählt, Paris habe die Helena ge-
raubt navä ßovXrjaiv ^log, . . . OTtwg %b %wv Yi(A.i^i(av yivog
oiQ^^- Aus den Versen selbst ersieht man, dass Zeus aus Mitleid
mit der durch Menschenmassen gar zu sehr beschwerten Erde den
troischen Krieg erregt habe:
OL d* ivi Tgolf]
ijgweg xTelvovto, ^log ö' ere^sieto ßovlr,
woran ApoUodors Worte deutlich anklingen. ') Sonst ist die Ueber-
lieferung desselben gerade in diesen Partien dürftig und lücken-
haft: so kommt es, dass mehrere Züge, die Proklos giebt, bei
ApoUodor nicht nachzuweisen sind, woraus natürlich nicht folgt,
dass sie m dem vollständigen ApoUodor oder gar in seiner Quelle
nicht gestanden hätten. So fehlen in dem Vaticanischen und
Jerusalemer Excerpte die Weissagungen des Helenos, der Kassandra,
Paris bei den Tyndariden, der Tod des Dioskuren'), die Meldung
des Helenaraubes durch Iris, Menelaos bei Nestor, Achill auf
Skyros, die erste Veranlassung zu seinem Zorn gegen Agamemnon,
seine Begegnung mit Helena. Doch des Uebereinstimmenden bleibt
genug, und manches hat ApoUodor ebenso, aber wesentUch aus-
führlicher als Proklos. Einige markante Stellen mögen wieder
ausgehoben wenden, da der Augenschein am sichersten überzeugt.
Die gravirende Interpolation aus der Uias ist schon oben behandelt«
1) Wie leb nachträglich lese, giebt Wagner Rh. Mus. 1891 S, 396/7 zwar
diese Erklärung als möglich zu, scheint aber der Uebersetzung agd-ß »- ver-
herrlicht werden, den Vorzug zu geben: vgl. flesiod Op, D. 159 f.
2) Derselbe ist zwar schon ApoUodor III 11,2 erzählt, doch schliesst das
nicht die Wiederholung in diesem Zusammenhange aus. Bei der genealo-
gischen Anordnung dieses Handbuches konnten solche Wiederholungen nicht
vermieden werden. Sie finden sich auch noch in unseren Epitomen : z. B.
Tydeus Tod I 8, 6, 1 » III 6, 8, 3, die Sage von Ino 1 9, 1 » III 4, 2, 5 u. s. w.
Hermes XXVI. 39
610
E. BETHE
Pi'oklos
^AXs^avÖQOQ ^eviCetai . . .
Ttagd MeveXcKp . . .
nai inaivsox^ai ngoano i-
TjodfASvov %bv Odvooea irtl
jqi (Jiii xkikeiv avGTQavev'
eo&ai efpcogaaav . . .
. . . Tev%QQvl(jc TiQOoiaxovai
xai Tavvr]v wg *'Ikiov Itioq-
d'OVV . . .
anOTiXiovai ök avroig {toig
ElXrjüiv) €x ftjg Mvalag x^^~
(xu)v kniniTttBt xai dia-
axeddvvvvTai . . .
'AyafÄi^vwv ini x^rjgag ßaXwv
sXaqiov i rcegßdXXeiv €(pr^ ae
Apollodor
'Ali^avdgog . . . ^evi^erai
naget MeveXdov . . .
'Odvaaevg fir^ ßovldfÄevog
OTgaTBveo&ai ngooTto i-
BiTai (A.aviav . . .
. . . Mvalije ngoa laxovai xal
tavtrjv inog&ovv y Tgoiav
vOfxit,ovTeg elvai . . .
%rig de Mvaiag i^ekd^ovteg ^!EX-
Irjyeg ävdyoviai xat x«<j"W''Og
Bn iyevO(A.ivov aqiodgov dia-
^evx'd'BvTeg dXlt]X(ov elg rag
Tiatgidag xaTavtaJatv . . .
(Ayajusfivwv) ßaXcov eXa-
(poy^) el/iBv' oi'de f^ ''AgrcfAtg
(sc. ovtw av ho^evae schol. A[
108, Wagner S. 192). .
Nach Proklos machte Artemis IphigenieD uDSterhlich : dasselbe
findet sich als Variante zu ihrer Entrückung zu den Taurern im
Jerusalemer Apollodor p. 168 1. 24. Darauf lässt Proktos die Fahrt
nach Tenedos folgen, wo Philoktet von einer Schlange gebissen
wird und Achill zu spät zum Schmause geladen mit Agamemnon
in Zwist geräth. Davon hat das Vaticanische Excerpt nur eine
Spur erhalten p. 65 1. 14 ayaxd^ivzeg 6i dnb trjg Tevidov Ttgoa-
inXeov Tgoi(^. Doch müssen die letzten beiden Worte hier wie
im Jerusalemer (p. 168, 25) durch ein Versehen an diese Stelle
gerathen sein, denn 1. 20 (Sab. p. 168, 31) heisst es noch einmal
f^lEXXYjveg) enXeov en^ aitovg (rovg Tgcoag). Daraus folgt, dass
auch bei Apollodor wie bei Proklos von Tenedos aus die Ge-
sandten nach Troia geschickt wurden zi^v "^EXivrjv y.ai td ycTrjfÄara
(jgrifxaja Ap.) dnaiTOvvreg, wie es bei Beiden gleichlautend heisst.
1) Das Jerusalemer Excerpt giebt: l4ya/uif4y(oy tlnev oi dvyaa&ai ao)-
Tr^Qias {JXa(fov) Tv^ily oi'cf' 'AgiifAido^ &iXovati^, Ich zweifle, ob dies
uirklich echte Ueberlieferung ist, wie Wagner Rh. Mus. 1891 S. 398/9 meint.
Es dürfte nur durch missverständliche Auffassung der Aposiopese entstan-
den sein.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 611
Die einzelnen Episoden am Ende des Kyprienexcerptes stehen
bei Apollodor in etwas anderer Reihenfolge, Briseis und Chryseis
erwähnt er an dieser Stelle nicht. Die Hinrichtung des Palamedes
ist im Vaticanus ausser der Reihe p. 62, 16 — 21 u. Hyg. 105 aus-
fQbrlicher erzählt. Der Rathschluss des Zeus, den Achill zur Er*
leichterung der Troer vom Kampfe fernzuhalten, ist in dem vor-
liegenden Apollodor nicht erwähnt. Die Schlussworte des Proklos
in den Kyprien sind: xa/ yta%akoyog twv Toig Tgwai av/AfÄUXt}-
oavtwv. Diese machten Welcker bei seiner Auffassung der Kyprien
als Einleitung zur Ilias Schwierigkeiten, da ihm ein Catalog der
troischen Kämpfer in der einzigen berichteten Landungsschlacht
wenig passend und die Aufzählung der troischen Verbündeten neben
dem Catalog in B überflüssig schien. Er suchte durch Aenderung
zu helfen (IP 156 f.). Der Jerusalemer Apollodor hat jetzt das
Rätbsel gelöst. Genau an derselben Stelle wie Proklos giebt auch
er eine Liste der troischen avia/iiaxoi: es ist keine andere, als die
der Boiotia.
Nachdem die engste Verwandtschaft zwischen Proklos und
Apollodor Schritt für Schritt in allen fünf Stücken nachgewiesen
ist, wer wagt nun zu behaupten, dass der in dem angeblichen
Kyprienexcerpte des Proklos notirte Catalog der ilischen Hilfsvolker
ein anderer gewesen sei, als der an derselben Stelle bei Apollodor
eingeschaltete Catalog der Boiotia?^) Wenn es nach all den auf-
geführten, wie mich dünkt, schlagenden Beweisen noch einer Be-
kräftigung des Urtheils über Proklos bedürfte, so giebt dies dem
Glauben an seine Autorität den Todesstoss. Es steht fest, dass
Proklos den Umfang der Epen falsch angiebt, dass er ihren Inhalt
durch fremde Zusätze ohne Quellenangabe verunreinigt hat; es
ist gezeigt, dass Apollodor an denselben Stellen dieselben Inter-
polationen hat, ohne sie zu kennzeichnen; es ist erwiesen, dass
1) Dass die Kyprien keinen Catalog enthalten haben können, hat schon
B. Niese Entwickel. der hom. Poesie S. 199 n. 1 scharfsinnig begründet: *ich
halte es nicht für wahrscheinlich, dass der Schiffscatalog überhaupt gedichtet
worden wäre, wenn es anderswo bereits ein ähnliches Yerzeichniss gegeben
hätte*. Noch jüngst hat Wagner Rh. Mus. 1891 S. 403 eine Hypothese er-
sonnen, den Catalog der Bundesgenossen der Troer ann Schlüsse der Kyprien
zu rechtfertigen, um der Identification desselben mit dem der Boiotia zu ent-
fliehen. Seine Hypothese baut auf der Zuverlässigkeit des Proklos — und
ßUt mit ihr.
39*
612 E. BETHE
m allen fünf Stücken sich Stellen ßnden, die in Satzbau und
Ausdruck geradezu identisch sind. Es ist unmöglich, dem zwiDgen-
den Schlüsse zu entfliehen: Proklos hat das, was er als Aus-
ztlge aus den cyclischen Epen giebt, abgeschrieben, zum Theil
wörtlich abgeschrieben aus einem mythologischen Handbuche, das
dem uns in Exccrpten vorliegenden Apollodor so ähnlich war, wie
ein Zwillingsbruder dem andern. Mithin ist das schon längst als
Quelle des Proklos vermulhete mythologische Handbuch als das
apollodorische nachgewiesen. Damit ist die Autorität des Proklos
gestürzt. Er giebt ebenso wenig oder ebenso sehr wie Apollodor
verlässliche Auszüge aus den Epen. Den Reconstructionen der-
selben, die auf ihn gebaut sind, ist der Boden entzogen; sie sind
hinfällig, soweit sie nicht durch directe Zeugnisse gestützt sind.
Des Proklos Erzählungen dürfen hinfort nur noch als ein drittes
Apographon neben dem Vaticanischen und Jenisalemer Apollodor-
excerpt betrachtet werden: sie bilden die eine, diese die andere
Handschriftenclasse , aus denen der Archetypus des Apollodor —
oder wie sich diese Epitome aus dem grossen mythologischen Hand-
buche sonst genannt haben mag — wieder hergestellt werden muss
und kann. Aus diesem erst kann auf Grund der Fragmente der
Epen und durch Combination aus den ältesten, allerdings freien
Benutzern derselben, den Tragikern, Pindar und den bildenden
Künstlern die Reconstruction dieser Urquellen der Sagen versucht
werden. Durch diese Erkenntniss ist, meine ich, nicht viel zer-
stört ^- denn trauen durfte man auch bisher den Aussagen des
Proklos nicht — aber viel gewonnen: stricter Nachweis seiner
schon vermutheten Quelle, Befreiung von einer drückenden, nicht
geachteten, aber nicht abgeschüttelten Autorität und eine neue,
wenn auch kleinere, so doch sichere Grundlage der Forschung.
Damit der Grad der Möglichkeit ermessen werden kann, die
cyclischen Gedichte aus der in Rede stehenden, auf ein Handbuch
zurückgehenden mythographischen Ueberlieferung herzustellen, und
um die Entstehung der proklischen Excerpte zu erklären, müssen
wir uns den Bau, die Anordnung desselben klar machen. Durch
Zusammenstellung^ der beiden apollodorischen Epitomen, der
Fabeln 91 — 127 Hygins und der Excerpte des Proklos können
wir uns eine ungefähre Vorstellung von ihm machen. * Um
die Ueberschriften , mit denen Proklos seine Capitel verziert
hat, brauchen wir uns dabei zunächst nicht zu kümmern: denn.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 613
wie gezeigt, stimmen sie weder mit dem Umfange der betreffen-
den Erzählung ttberein, noch mit dem Inhalte, da an einer
Stelle sicher, an mehreren höchst wahrscheinlich nicht das ange«-
gebene Epos, sondern llias oder Odyssee zu Grunde liegt Wa»
bei den Epentiteln über Verfasser und Buchzahl bemerkt ist, hat
Proklos offenbar aus einer anderen Quelle, einem litterari«chen
Compendium entnommen, das er sonst in seiner Ghrestomalhier
benutzt: in ein solches gehörten sie ebensosehr, wie gar nicht in
das mythologische Handbuch. So, den Blick nicht geblendet durch
die Irrlichter der proklischen Quellenangaben, erkennen wir, was
Jeder sofort am Apollodor bemerken würde, wenn Proklos nicht
existirte, dass llias und Odyssee nicht bloss der Erzählung der
Ereignisse vom Zorne Achills bis zur Bestattung Hektors und der
Irrfahrten und Heimkehr des Odysseus zu Grunde gelegt sind,
sondern auch, soweit sie in Parekbasen das Material geben, dem
gesammten troischen Sagenkreise. Das kann nicht verwundern:
denn es ist dies die sehr practische Methode des Verfassers des
mythologischen Handbuches, die ich Quaest. Dtod. myth. 95 auf*
gezeigt habe: stets die bekannteste Sagenform als Aufzug zu be-
nutzen, in den die mehr oder weniger zahlreichen Varianten als
Einschlag eingewebt werden, llias und Odyssee kannte Jeder
durch und durch. Deshalb mussten auch die in ihnen nebensäch-
lich erwähnten Geschichten in dieser Form als die populärsten
gelten. Dazu kam ein zweiter Grund. Aristarch hatte llias und
Odyssee nicht nur philologisch, sondern auch sagengeschichtlich
von allen anderen Epen isolirt und auch in jeder Kleinigkeit die
Version dieser beiden Gedichte als die einzig wahre, durch Homers
Autorität beglaubigte, allen anderen, zumal denen der cyclischen
Dichter gegenübergestellt, die nach seiner Meinung als vetategoi
nur verwirrt und gelogen haben. Deshalb musste der Verfasser
des mythologischen Handbuches llias und Odyssee auf das genaueste
und ausgiebigste benutzen und aus ihnen wenigstens das Gerippe
für den ganzen troischen Kreis herstellen. Dass er das wirklich
gethan hat, lehrt auch ein flüchtiger Ueberblick. Z. B. die beiden
Gataloge der griechischen und troischen Mitkämpfer hat er aus B
entnommen, aber sehr verständig hat er jenen gegeben, als er in
seiner Erzählung an die Versammlung der Griechen in Aulis ge-
kommen war: Apollod. Sab. Rhein. Mus. 1891 S. 167 Z. 16; den
Troercatalog aber schaltete er ein vor dem Beginne der grossen
614 E. BETHE
Kämpfe, d. h. unmittelbar vordem er an das Referat der Uias selbst
kam. Da steht er noch heute sowohl bei ApoUod. Sab. S. 169
Z. 21 als auch genau an derselben Stelle bei Proklos, d. h. am
Ende der ^Kyprienhypothesis' unmittelbar vor der fehlenden Uias*
bypothesis. Das Vorzeichen in Aulis, das Kalchas auf neunjährige
erfolglose Kämpfe und Sieg erst im zehnten Jahre deutete, konnte
der Mythograph nicht übergehen, da es Jeder aus £ SlOfiT. kannte,
musste es also einschalten beim Aufenthalte des Griechenheeres in
Aulis — wo es bei ApoUodor Vatic. 63, 1 ff. s= Sab. 168, 3 ff. zu
lesen ist; so gerieth es bei Proklos freilich in die ^Kyprien'. Weil es
in der Uias so stand, also das einzig Richtige war, erzählte jener
Mythograph, Paris sei mit Helena nach Sidon verschlagen worden
und fügte erst als Varianten die Versionen des Stesichoros-Euripides
und wahrscheinlich doch auch der Kyprien bei. Ebenso wurde die
Aufnahme des hölzernen Pferdes und die Berathung der Troer nach
dem Sänge des Demodokos & 500, die Abfahrt der Griechen von Troia
nach y 304, die Ermordung des Aigisth und Heimkehr des Menelaos
nach ;^ 130 gegeben und in den letzten Abenteuern des Odysseus,
welche die Odyssee nicht mehr erzählt, wurde mit ausdrücklicher
Bezugnahme auf A 130 eingeschaltet: xal xara Tag Teigealov
fAavTelag -d-voidaag s^cXccoKeTai Iloaeiöcjva (ApoUod. Sah. 180,
30). Ich wüsste nicht, .wie man diese Thatsachen in Abrede
stellen könnte.
Durch die sorgfältige Ausnutzung der Uias und Odyssee war
wirklich ein Gerippe für umfassende Darstellung des troischen
Sagenkreises geschaffen. Dies galt es nun auszufüllen und seine
Theile zu verbinden. Dafür boten die übrigen Epen der vbwtbqol
das beste Material, da sie zum Theil den ganzen Krieg umfassten.
Concurrirten für einen Theil mehrere Gedichte, wie das wohl häufig
der Fall war, so wurde dasjenige bevorzugt, dessen Darstellung
für die Folgezeit die maassgebende geworden war. Nachdem so
ein Zusammenhang nach den durch Homer, d. h. Uias und Odyssee,
gegebenen Richtpunkten hergestellt war, wurden die übrigen Va-
rianten, vor allen der Tragiker eingesetzt. Die Varianten der Tra-
goedien konnten wohl meist nicht anders als durch eine Hypothesis
1) Nichts anderes durfte bei Proklos in der ^Telegonie' zu Grunde liegen:
ras vno TeiQsaiov ^rj&eiaas nXel &vaiag. Durch unverständige Kürzung
und Streichung der Fahrt des Odysseus nach Epiros ist der Unsinn entstan-
den, dass Odysseus diese Opfer in Ithaka vollzieht.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLÜS 615
des ganzen Dramas gegeben werden, da der Dichter, um ein ab-
geschlossenes Ganze zu erhalten, stets hatte zusammenschieben und
senden müssen. Auch waren die Stoffe dieser Tragoedien im Ver-
hältniss zu den grossen Epen eng begrenzt. So kommt es, dass
sie auch noch in den Excerpten aus ApoUodor sich leicht auslösen.
So heben sich deutlich ab^) z. B. die Helene des Euripides bei
ApoUod. Vat. 61,23— 62, 4 = Sab. 166, 35—167,2, wo mit Bücheier
xlcenelaav für xaiaTtelaav zu schreiben ist, sein Protesilaoä bei
ApoUod. Vat. 65, 23—27 = Sab. 168, 35—169, 3 vgl. Hygin Fab.
103, seine taurische Ipliigenia als Variante bei Apollod. Vat. 64, 16
= Sab. 168, 23 = Hyg. Fab. 98, die Hypothesis bei Apollod. Vat.
76, 4—10 = Sab. 175, 20—25 = Hyg. Fab. 120.
Aus dieser Zusammenstellung, die sich leicht vermehren lässt,
folgt mit Sicherheit, dass in dem vorchristlichen mythologischen
Handbuche diese Tragoedien bereits aufgenommen waren, da auch
Hygin sie hat. Das durfte man annehmen nach Analogie der
übrigen Theile desselben, die uns durch Apollodor, Diodor, Hygin
schon hinlänglich bekannt waren. Der Behauptung Wagners gegen-
über, dass erst der Pseudoapollodor die Tragoedienhypothesen ein-
gesetzt habe, musste dies aber neu erhärtet werden.^) Natürlich
waren überall die Quellen durch genaue Citate angegeben, wie wir
das noch an vielen Stellen der Apollodorischen Bibliothek sehen,
während an anderen statt des Namens nur Tivkg, akloi u. dgl.
noch steht oder auch jegliche Andeutung einer anderen Quelle
fortgefalleu ist.
Nun ist es nicht schwer, sich vorzustellen, wie die soge-
nannten Epenexcerpte des Proklos aus diesem Handbuche herge-
stellt werden konnten. Wurden alle als Varianten gekennzeich-
neten Geschichten und Angaben gestrichen, so musste die epische
Sage übrig bleiben, die als solche durch die Citate der Kyprien,
Aithiopis, kleinen Ilias u. s. w. im Handbuche verbürgt war. Im All-
1) Herr Prof. Robert hatte die Güte, mir eine ganze Reihe vorzuführen,
2) Rhein. Mus. 1891 S. 400 und Epit Fat, Seine Behauptung, Pseudo-
apollodor habe diese Tragödienhypothese aus den TQayt^dovfjiiya des Askle-
piades genommen, ist sehr kühn : denn was war das überhaupt für ein Werk?
enthielt es wirliüch vno&iaeig'i Vgl. meine Thebanischen Heldenlieder S. 51
n. 12. — Auch die Erzählung von Palamedes und Nauplios nach der Tragödie
bei Apollod. V. 62, 15-21 und 70, 21 ff. ist für das vorchristliche Handbuch
durch Hygin f. 105 und 116 gesichert.
616 E. BElTHE
gemeinen also wird den Ueberschriften des Proklos zu trauen sein.
Der Abschnitt, den er unter Kyprien giebt, war unzweifelhaft im
Handbuche hauptsächlich nach diesem ausdrücklich angegebenen
Epos erzählt, und ebenso steht es mit den übrigen Abschnitten. So
erklärt sich auch, wie der Stoff der troischen Sage unter diese Epen
derartig vertheilt werden konnte, während sie sicher z. Th. den
ganzen Krieg erzählt hatten. Der Verfasser des Handbuches hatte
eben , wie gesagt, für jeden Theil des Krieges ausser Homer das-
jenige Epos zu Grunde gelegt, das denselben in die bekannteste,
wirkungsvollste Form geprägt hatte, und so für die Antehomerica
das betr. Stück der Kyprien, für die Poslhomerica Aithiopis, Stücke
aus der kleinen Ilias und eine Persis ausgewählt. So ist es ge-
kommen, dass sich bei den Späteren, welche diese Epen nur aus
dem mythologischen Compendium kannten, die Vorstellung bilden
konnte, diese Epen hätten nur je ein kleines Stück, für welches
sie hier herangezogen waren, behandelt. Schon die tabula Hiaea
zeigt, dass ihr Verfertiger resp. Anordner diese Ansicht gehabt hat.
Denn auf ihrem untersten Mittelstreifen ist die ^IkiSig r/ fttxgd
keyopiivfj %aza uii'oxrjv TIvQQalov dargestellt, und dieser zeigt die
Scenen vom Tode des Paris durch Philoktet, der nur noch eine
vorangegangen sein kann, bis zur Aufnahme des Pferdes in Troia;
auf dem darüber befindlichen Streifen ist illustrirt die Aid-iOTvlg
%a%a ^AgyLTlvov tov Mikrjaiov, umfassend die Scenen vom Kampfe
der Penthesilea mit Achill bis zur Bestattung dieses Helden uDd
dem Wahnsinne des Aias. Also liegt hier dieselbe Auftheiinng des
troischen Stoffes unter tlie Epen vor, wie bei Proklos, an den
auch die Beischriften der tabula Iliam und ihrer Schwestern öfter
wortlich anklingen, wie schon Michaelis Gr. Bilderchroniken S. 83
gebührend hervorgehoben hat. Da nun bewiesen ist, dass sowohl
diese Bilderchroniken, als auch Proklos auf die mythographische
Ueberiieferung des vorchristlichen Handbuches zurückzuführen sind ^),
wodurch sich ihre hin und wieder wörtliche Uebereinstimmung
unter einander, wie mit ApoUodor, Diodor und Hygin erklärt, so
ist es evident, dass aus eben jenem Handbuche auch die wunder-
liche Begrenzung dieser Epen stammt.
Uns liegen also bei Proklos und den übrigen Benutzern des
t) Gorsioi bei Jahn-Michaelis Gr. Bilderchron. S. 84; v. Wilamowitz flom,
Unt. 332; meine Quaest, Diod. mytk, p. 70; Wagner Apollod, Epit. f^atit,
p. 116.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 617
troischen Theiles des Handbuches zerrissene Inhaltsangaben der
genannten Epen vor. Doch müssen wir stets darauf gefasst sein,
auch fremden Zügen in ihnen zu begegnen, so dass ohne wei-
teres das Zeugniss des Proklos nicht als gültig betrachtet werden
kann, sondern erst durch schärfste Untersuchung und eindringende
Vergleichung mit allen verwandten Berichten geprüft und geläutert
werden muss. Auszuscheiden sind von vornherein sämmtliche
Uebereinstimmungen seiner Excerpte mit llias und Odyssee, da
diese Stellen nur durch Nachlässigkeit des Proklos, oder wer sonst
diese Epenhypothesen aus dem Compendium herausgehoben haben
mag, stehen geblieben sind. Wahrscheinlich war bei den aus llias
und Odyssee gezogenen Geschichten, um welche die ganze Dar-
stellung des troischen Krieges gewebt ward, die Quelle nicht aus-
drücklich angegeben, weil sie als allgemein bekannt vorausgesetzt
werden durfte. So würde sich leicht erklären, warum Proklos
gerade solche Stellen arglos in die nichthomerischen Epen aufge-
nommen hat, während er sonst, wie es scheint, ganz sauber die
nichtepischen Theile ausgeschieden hat, auch warum er sogar die
cyclische Version, die er doch geben wollte, fortgelassen und die
homerische an ihre Stelle gesetzt hat. Denn diese war im Handbuche
zu Grunde gelegt, die übrigen, auch die des sonst in der betreffen-
den Partie benutzten cyclischeu Epos, waren nur als Varianten
abgehängt. So hat Proklos die Homerische Irrfahrt des Paris und
der Helena nach Sidon statt ihrer directen glücklichen Fahrt, welche
für die Kyprien bezeugt ist, in die Kyprien eingesetzt und in der
kleinen llias angemerkt eneita eii; zbv dovgeiov irtnov tovg
agiüTOvg ifißißctaavteg nach ^512, während er die als Variante
angefügte und in den Apollodorexcerpten erhaltene Version der
kleinen llias unterdrückt hat.
Die Erwartung, Widerspruch gegen meine Ansicht zu erfahren,
hat mich sehr ausführlich werden lassen. Dieselbe zwingt mich,
noch einen Punkt, der nicht sturmfrei scheint, zu vertheidigen.
Proklos selbst zeigt die Möglichkeit eines Angriffes, der Vernichtung
zu drohen scheint. Er sagt im Referat über die Kyprien NeaioßQ
de iv naQS^ßaaei ditjyeltai avtiy (xrjj Meveldfp) wg 'Ercw-
nevg q)d'€iQag %qv Avi^ovQyov^) xfvyatiga e^ejtogd'rid'rj, xal ra
1) AvxovQyov iibr. Die Aenderong in Avxov ist nach den Ausführungen
von Maass in dieser Zeitschr. XXIII S. 613 ff. unnÖthig, da Jvxoc nur die
hypokoristische Form von Avxovgyog ist.
618 E. BETHE
Ttegi OldiTtovv xai vrjv ^HgaycXiovg (laviav, xa£ xa tibqi Orjaia
aal 'j^Qiadvrjv, Diese Stelle hat stets für den untrüglichsten Be-
weis der originalen Echtheit und Zuverlässigkeit dieser Auszüge
gegolten, und ich muss gestehen, dass dieselbe auch mir den all-
mählich aufkeimenden Verdacht wieder und wieder zerdrückt hat.
Aber er brach immer neu hervor. Die vorangestellten, auf den
Excerpten des Proklos allein gebauten Erwägungen erschüttern
den Glauben an ihren reinen Ursprung, die genaue Vergleichung
mit Apollodor hat zuviel Material geliefert, als dass der eben ge-
zogene Schluss abgewiesen werden könnte. Er steht auf dem
festen Boden urkundlicher Ueberlieferung. Der aus jenen ausge-
schriebenen Worten des Proklos erhobene Einwand aber basirt
auf dem Glauben an seine Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit, der sich
freilich zu tief bei uns eingefressen hat, als dass wir ihn sofort
abwerfen könnten. Dieser Glaube ist jetzt aber als unberechtigt
erwiesen. Proklos giebt sich den Anschein, als kenne er genau
die Epen und schöpfe aus ihnen selbst ; er bewirkt das nicht nur
durch die Praescripte: STtißdlksL tovtoiq — /m«^' ijv iaviv
u^id'ioftlöog ßißXia e' neQUxo'^'f^ci rade — STcerai de tovtoiq
^IXiov fciqaidog ßißlia ß' nBQiixovva rade u. s. w., sondern
auch durch seine Darstellung, indem er stets im Praesens redet:
Zeig ßovXeverai — ^ rcSy OTtlwv xgiaig ylverai — NeOTtToXe-
fjLog anoxtelTCi^ indem er mit Vorliebe in dieser Weise verbindet
ue%a tavTa, ensita, eha, kv Tovtq)^ indem er mit lapidarer
Kürze öfter nicht erzählt, sondern nur andeutet, gleich als gäbe
er üeberschriften : enscra ^AyafxifAvovog • . . vn^ 'OgioTOv zifLio)"
Qia xai MbvbXolov elg rrjv olüeiav dvaxofiiötj — xal xazdkoyog
Twv loig Tgwal ovfAfjiaxriaavtuv.^) Diese Kunstgriffe mussten
wirken , zumal da er in der Einleitung so gesprochen, als kennte
er die Gedichte aus eigener Leetüre. Dass dies nicht der Fall war,
davon ist man seit längerer Zeit überzeugt; dass er seine Inhalts-
1) Die Annahme, die letzten Ausdrucke seien auf Rechnung des Epito-
mators des Proklos zu setzen, kann nicht widerlegt, aber auch nicht be-
wiesen werden. — Bemerkenswerth ist auch, dass Proklos sich am Schlüsse
der kleinen Ilias den Zusatz erlaubt hat nai (ol Tgtäts) evü)^ovpTo (6g rtvir
xijxoTsg jovg''EXXriyag. Er hat ihn gemacht, um einen gewissen Abschiuss
zu erreichen. Seine Vorlage gab dies hier nicht, sondern erst die Berathung
um das hölzerne Pferd, wie auch er sie unter ^lliupersis' giebt, und dann erst
jqanivxis 6i ds O^vaiay {tv q)Qoavyr]y Proklos) tvoj^^ovyro.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 619
angaben aus einem mythologischen Handbuche abgeschrieben hat,
beweist die Yergleichung mit ApoUodor. Wie sollen wir also sein
Verfahren bezeichnen? Ich wttsste keinen anderen Ausdruck als:
Vorspiegelung falscher Thatsachen. Deshalb halte ich gerade gegen
die Stellen, an denen sich Proklos ganz besonders den Schein
eigener Kenntniss der Epen zu geben bemüht, die grösste Skepsis
ftlr berechtigt und geboten.
Unter ihnen steht die Parekbase des Nestor obenan. U. v. Wila-
mowitz^) hat auf sie gebaut und durch sie einige Stücke der Nekyia
erklären zu können gemeint. Wäre die Auseinandersetzung auch
noch überzeugender — ich theile Thraemers') Bedenken und werde
für X 271 -—280 die Oidipodie als Quelle nachweisen, zwischen
wdche die Kyprien als Vermittelung zu setzen wenig probabel er-
scheint — die Wahrheit der Angabe des Proklos würde nicht be-
wiesen. An sich schon ist diese Stelle verdächtig: denn eine Be-
ziehung der vier Geschichten auf das Schicksal des Menelaos, die
doch nothwendig ist, scheint trotz aller Versuche kaum aufzufinden
möglich. Doch die Skepsis soll nicht übertrieben werden: es ist
denkbar, dass auch diese Stelle auf guter Ueberlieferung beruht,
vielleicht in der That aus den Kyprien stammt. Es könnte näm-
lich in dem von Proklos ausgeschriebenen Haudbuche etwa folgen-
des gestanden haben : Nsotwq öi naga^v&ovfÄevoQ T(p MeveXdq)
dirjyriaato (ig ^EnwTtevg yciX, im Anschlüsse an die epische Vor-
lage, wie man es ja auch als möglich zugeben muss, dass in den
Handbüchern bei Erzählung der Gesandtschaft an Achill nach /
die von Phoinix vorgetragene Sage von Menelaos erwähnt worden
sei. Proklos hätte dann jenen Satz umstilisirt, um seinen An-
gaben den Schein der Urkundlichkeit zu verschaffen.')
1) Hom. Unters. S. 149.
2) Pergamos S. 130 ff. S. meine Theban. Heldenlieder S. 3 n. 9.
3) Einen zweiten ähnlichen Einwand könnte man erheben weniger auf
Grund des Textes der Telegonie des Proklos, als der Aenderung desselben
durch Welcker und seiner Erklärung. Es ist nämlich überliefert: ^Odvcatvs
. . . ^BviCiicci naQot IloXv^ipi^ daigoy re XafÄßdvei XQai^ga* xal inl tovt (^
Ta ntQi Tqotptovioy xal ^Ayafitjdf^y xai Avyiar, d. h. *und ausserdem, und
darauf die Geschichten von Trophonios' u. s. w. — waren nämlich in der
Telegonie erzählt. Diese Anknüpfung ini rovitp ist nicht selten, und wenn
sie Proklos auch sonst nicht braucht, wendet er doch desto häufiger ähnliche
Bindungen an wie ineira, (au« xavia^ kv xovr^. Welckers Aenderung knl
lovTov ist also unnöthig, und seine Erklärung *auf dem xQarijQ waren dar-
620 E. BETHE
Erweist sich die dargelegte Ansicht Ober die Excerpte des
Proklos als richtig, so sind die bisherigen auf jenen aufgebauten,
nothwendig unklare und verschobene Bilder ergebenden Recon-
structionen der troischen Epen rettungslos verloren. Auf dem
neuen Boden werden andere und anschaulichere Vorstellungen ent-
stehen. Allein die direct überlieferten Fragmente der Epen dürfen
fortan als Fundamente für jede Reconstruciion benutzt werden und
nur die Züge aus Proklos, ApoHodor u. s. w. darf man aufnehmen,
welche sich mit jenen vereinigen lassen. Es ist mir jetzt unmög-
lich, bestimmte Folgerungen zu ziehen. Nur darauf will ich hin-
weisen, dass nach gewonnenen Principien z. B. die Telephosepisode
für die Kyprien nicht bezeugt ist, sondern allein für die kleine
Ilias, und dass der von Proklos unter Airhiopis erzählte Kampf um
die Leiche Achills allein für die kleine Ilias angenommen werden
darf. Die Beweise habe ich kurz angedeutet in meinem baldigst
erscheinenden Buche ^Thebanische Heldenlieder' S. 33 n. 9.
Nachdem sich des Proklos Angaben über den Inhalt der ein-
zelnen Epen als unzuverlässig erwiesen haben, ist es unerlässlich,
seinen Bericht über den epischen Cyclus im Ganzen einer neuen,
nun von vornherein misstrauischen Prüfung zu unterziehen.
Im ersten Buche seiner Chrestomathie behandelt Proklos die
epischen Dichter und im Anschlüsse an Homer spricht er wie billig
über den epischen Cyclus, der, wie er sehr richtig bemerkt, von
den Alten dem Homer selbst zugeschrieben sei. Darauf bezeichnet
er Umfang und Inhalt des epischen Cyclus und knüpft daran die
Bemerkung: dg lov enmov xvxkov %a noir./Aaia diaatp^ezai
xal OTcovda^szai toXg noXkoig ovx ovtuj did ttI]v a(}B'crjv lig
dta Ti^v anoXovx^iav xojv ngayfiatwv. Wilamowitz (Hom. Unters.
S. 357) führt auch diese auf den „wirklichen ersten Urheber dieser
Excerpte, der eben die wirklichen Gedichte noch vor sich hatte,^^
zurück. Ist das richtig, zo würde zwar die Angabe über die Er-
haltung der Epen keine Lüge sein, wie sie es im Munde des
gestellt die erwähnten Geschichten und worden bei Get^genbeit der Ueber-
reichung desselben snr Erlänterang enahlt* (\\* 304) ist binßllig, md war
schon dessbalb wenig wahrscheinlich, weil sich eine Darstellang dieser Sage
nicht nachweisen und und auch kaum denken lässt. Vgl. Svoronos Gazette
arekMogique XIII 1888 p. 265.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 621
Proklos wäre; aber die Behauptung, sie seien noch vielfach gelesen^
^äre auch für jene Zeit recht bedenklich, und gar der vorge-
brachte Grund ftlr die Schätzung des Cyclus kann schwerlich von
jenem ersten Excerptor herrühren. Denn er musste am besten
wissen, dass die Epen keineswegs eine anolov&La tcDv ngayfiO"
%(üv geben, sondern dass im Gegentheile mehrere Gedichte, wie
die Kyprien und die kleine Uias, diese und die Aithiopis, die ver-
schiedenen Persiden, nicht wenig doppelt erzählten und gar ab-
weichend von einander. Das lehren uns ja noch die kümmerlichen
Nachrichten. Trotzdem aber diese Gedichte so zu denken, dass
8ie zwar nicht Vers an Vers zusammenpassten , aber doch eine
Continuität des Inhaltes bildeten, vermag ich wenigstens nicht.
Dagegen bezeichnen die Worte aaolovlß'ia %vjv nqay^aiwv eine
Eigenschaft, welche der epische Cyclus so, wie ihn sich Proklos
dachte, d.h. also die aus einem mythologischen Handbuche stammende
Geschichte, in der That im vollsten Maasse besitzt. Wir werden
also gezwungen, jene Aussage für des Proklos eigenste Meinung
zu halten, die er sich selbst auf Grund seiner vermeintlichen Epen-
excerpte gebildet hat. Wir gehen daher mit nicht gerade gesteigertem
Autoritätsglauben an seine Aussagen über Inhalt und Umfang des
epischen Cyclus, die mit jener als unwahr erwiesenen Behauptung
im engsten Zusammenhange stehen.
Gewaltig weit sind die von Proklos gezeichneten Grenzen des
Cyclus: Hochzeit des Himmeis mit der Erde und Tod des Odysseus
durch seines Sohnes Telegonus Hand. Vor jener ist das Chaos, nach
diesem beginnt die Geschichte; zwischen beiden liegt unabsehbar die
ganze grosse Götter- und Heldensage der Griechen. Und wirklich
wird diese in ihrer Gesammtheit von Proklos als Inhalt des epischen
Cyclus angegeben : dianogevetai öi %a t€ aXXoyQ tcsqI &süiv %oIq
^ElXri^i fiVy^XoyovfÄBva, aal €i nov %t xa< ngot; iatogiav i^aXi^"
xfl^BTai.^) Die Gelehrten haben sich der Aufgabe unterzogen, für
diesen kolossalen Stoff Epen, oder wenigstens Epentitel, wenn auch
ohne Inhalt, zusammenzustellen, welche dem Cyclus eventuell ange-
hört haben könnten. Vergebliche Mühe! Auch die 16 Titel, welche
Welcker P 35 zum Theil ohne jede Beglaubigung, zum Theil ohne
Vorstellung von ihrem Inhalte demselben zugetheilt hat, füllen nicht
eatfenit den gewaltigen Kreis aus. Wir müssten sämtliche Epen,
1) Vgl. V. Wilamowitz Hom. Unters. S. 358.
622 E. BETHE
die wir kennen, hesiodische wie hoonerische, hineinwerfen, und
doch würde noch manches Stück der Heldensage ohne Epos bleiben.
Kur consequent war es, dass Heinsius und Chr. Gottl. Schwarz
auch Hesiod und jeden epischen Dichter, der einen vollständigen
Stoff behandelte, für cyclisch erklärten, und Fr. Aug. Wolf, wie
Wüllner Thcogonien und Gigantomachien, Argonauten- und Bacchus-
sagen, Uerakleen und Theseiden dem epischen Gyclus zutheilten.
Des Proklos Definition giebt gar keinen klaren Begriff, weil er
kein begrenzendes und unterscheidendes Merkmal vorträgt: die
aY.oXov^ia twv ngayfidrwv kann als solches nicht gelten und
ebensowenig die Autorschaft Homers, da er selbst dieselbe für un-
richtig erklärt und die einzelnen Gedichte anderen zuspricht. Es
ist diese Definition völlig unbrauchbar, daneben aber auch ver-
dächtig, weil es gar nicht abzusehen ist, wie unter solchen Um-
ständen noch „cyclisch^^ als eine unterscheidende nähere Bestimmung
verwendet werden konnte.
Dazu kommt, dass diese Definition des Proklos ganz allein
steht. Die einzige ausser ihr erhaltene im Scholion zu des Clemens
Protrepticus H 30 widerspricht ihr durchaus. Zwischen beiden
durch Abwägung der grösseren oder geringeren Wahrscheinlichkeit
zu entscheiden, kann zu keinem sicheren Resultate führen. Es
bleibt nur der Weg, zu constatiren, welche Epen als cyclisch
direct bezeugt sind, und zu prüfen, ob der sich so ergebende
Thatbestand mit Proklos — oder mit dem Clemensscholiasten
stimmt.
Nur folgende Gedichte vermag ich als cyclische nachzu-
weisen:
1) Die Thebais wird von drei vortrefflichen Gelehrten als
xvxlixrj bezeichnet : von Asklepiades (schol. Pind. 0. VI 20), vom
Hypomnematisten des Oidipus auf Kolonos (schol. 1375), und bei
Athenäus XI 465.
2) Von den Kyprien heisst es in jenem Clemensscholion
Protrepl. II 30: Kircgia nolrifiard elai tä %ov xi;xXot;«
3) Die kleine Ilias ist mehrfach als cyclisches Epos be-
zeugt: von Lysimachos, welcher o tj^v fiiY.QCLv 'iXidda owteTaxog
y.vxXiKdg noir^trjg citirt (schol. Andromach. 10), im schol. Aristoph.
Equit. 1056, wo vier Verse angeführt sind mit den Bemerkungen:
vjg q^r^aiv 6 zrjv fAixgdv ^iXidda nerroirjKwg .... ällwg' tovto
£x Tov xvyclov d(p€ilKvaTai, und im schol. Eurip. Orest. 1391,
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 623
das die durch schol. Eurip. Troad. 821 für die kleine Ilias be-
zeugten Verse mit den Worten einleitet xa^aueg iv t<^ xi;x^(^
Kein anderes Epos ist ausser diesen direct als cyclisch be-
zeugt. Die auf dem Borgiatäfelchen {K bei Jahn-Michaelis) auf-
geführten Epentitel dem Cyclus zuzuertheilen ist nicht weniger
willkürlich, als demselben Gedichte die Oij^aliag alojaig oder
irgendwelche ^^gyovavTiyia zuzusprechen. Dagegen sind zu be-
achten die Stellen, an denen xvycXixol citirt werden. Aber die-
selben sind theils nicht ohne einschneidende Untersuchung zu yer-
wenden, da sie aus mannigfachen Bestandtheilen contaminirte lato-
glai aufweisen, theils ist gar nicht auszumachen, auf welches Epos
sie zu beziehen sind: denn man muss doch stets festhalten, dass
wie in der Ilias und Odyssee, so auch in den übrigen Epen durch-
aus fremde Sagen nebenher erzählt oder erwähnt sein konnten.
Von jenen Notizen können bisher nur schol. F 242 (Raub der
Helena durch Theseus)') und schol. T 326 (Achill auf Skyros) mit
einiger Wahrscheinlichkeit den Kyprien, schol. ^346 (über das
Pferd Arion) der Thebais mit Sicherheit vindicirt werden. Und
da nach schol. d 285 das Geschichtchen Yon Antiklos im hölzernen
Pferde ix %ov ycvy^Xov stammt, so darf man vielleicht noch eine
lliupersis als einen urkundlich bezeugten Theil des epischen Cyclus
betrachten.
Nach diesem Thatbestande umfassl also der epische Cyclus nur
den thebanischen und troischen Sagenkreis. Dem entspricht, dass
Iloraz A, P, 136 als Beispiel eines ^scriptor cyclicus' den Dichter eines
troischen Epos anführt und v. 146 auf ein Gedicht der thebanischen
Mythen^) offenbar als auf ein cyclisches anspielt. Noch ein Epos, die
1) Vgl. Ed. Schwartz de schol. Homericis p. 427.
2) So auch Robert 50. Berl. >^inckelmannprogr. S. 50; doch glaubt er,
diesen Theil der Kyprien fär einen spateren Zusatz des sechsten Jahrhunderts
halten zu müssen, weil er auf Grund jenes Scholion Athen und Theseus als
König von Athen für dies Epos beansprucht. Dass die Thebais von der Ab-
stammung des Arion erzählt hat, werde ich gegen Ed. Schwartz de schoL
Hom. p. 427 zeigen: Theban. Heldenlieder S 90.
3) Porphyr io ad A. P. 146: Antimachus faxt cyclicus poeta. hie ad-
gressus est materiam, quam sie extendit, ut viginti quattuor Volumina im-
pleoerity antequam septem duces ad Thebas perduceret. — Der Zusammen-
hang (im Folgenden spielt Horaz auf die Kyprien an) beweist, dass nicht
624 E. BETHE
TitaDomachie, tritt hinzu: sie gilt auf Grund von Athenäus VII 277 D
und Philon von Byblos bei Eusebius in der praeparatio evangelica
I 10 p. 39 als beglaubigtes Glied des Cyclus. Mag sie auch jetzt
als solches gelten — die beiden Stellen sollen unten geprüft wer-
den — auch dann wird nicht der Kreis dieser cyclischen Epen so
erweitert, dass auf ihn die Angaben des Proklos passten. Denn
zwischen der Hochzeit des Himmels und der Erde und dem Tode des
Odysseus liegen doch unendlich viel mehr Ereignisse als die Titano-
machie und die Kriege um Theben und Troia. Namhafte Gelehrte
sind jetzt der Ansicht, die Titanomachie habe in engem Zusammen-
hange mit den Kyprien, die unmittelbar auf sie gefolgt seien, ge-
standen. Ein stricter Beweis wird sich dafür schwerlich erbringen
lassen; aber wenn auch, der Widerspruch zwischen dem bezeugten
Bestände des Cyclus und den Angaben des Proklos würde bestehen
bleiben.
Die Discrepanz beschränkt sich aber nicht bloss auf die
Menge des Stoffes. Man setzt die Titanomachie an die erste
Stelle im epischen Cyclus, als den ersten grossen Kampf, der in
der Welt gekämpft worden. Daan muss auch gefordert werden,
dass der von Proklos gegebene Anfang des epischen Cyclus mit
diesem Epos übereinstimme. Das ist aber nicht der Fall. Denn
dieser behauptet, der epische Cyclus habe begonnen mit der Hoch-
zeit des Himmels und der Erde. In der Titanomachie dagegen
muss dieser eine andere Ehe vorausgegangen sein, da Ougavog
der Sohn des Ait^r^q genannt wird (Frg. 1). In derselben (schol.
Apoll. Rh. I 1165) war Aigaion ein Sohn der F^ und des Hovxog.
Dieser ist identisch mit dem Hundertarm Bgiagew^ nach ^ 403:
ov BQidgewv nakeovai S'Boi, avÖQBg de ze nävteg uälyalcova,
Proklos dagegen giebt ausdrücklich an, dass im Anfange des
epischen Cyclus die drei Hundertarme, von denen Bqcqqewq"
^iyaiü)v der eine ist, Söhne der Fi] und des Oigavög waren.
Und damit nicht genug, dass des Proklos Aussage in directem,
nicht zu hebendem Widerspruche mit dem angenommenen ersten
Gedichte des Cyclus steht, sie stimmt sogar mit Hesiods Theogonie,
Antimachos von Kolophon gemeiot seio kaoD. Bergk and v. Wiiamowitz
Hom. Unters. S. 346 n. 26 haben mit Evidenz Antimachos von Teos, einen
alten Epiker, der also zu dem Gyclikern gehören konnte, eingesetzt. Vgl.
Kiessling zur J. P. p. 146, meine Theban. Heldenlieder S. 36.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 625
nach welcher genau wie bei ihm FiJ und Oigavog die drei Cy-
clopen (409) und die drei Hundertarme KotTog, BQidgewg und
Fvrjg erzeugen. Und dass die Hesiodische Theogouie nicht zum
epischen Cyclus gehöre, darin wenigstens sind alle einig.
Somit ist bewiesen, dass des Proklos Angaben über den epischen
Cyclus falsch sind: weder war in den Originalgedichten desselben
eine äxoXovd'ia tüv ngayf^dtwv , noch haben sie die gesammte
Götter- und Heldensage umfasst, noch hat die 'cyclische' Titano-
machie Bgiagewg den für einen Sohn des Ougavog ausgegeben.
Proklos hat also nicht den 'epischen Cyclus' definirt, obgleich er
es Yorgiebt. Er muss diesen also mit einem anderen Cyclus ver*
wechselt haben, und um den Beweis vollständig zu machen, muss
dieser andere nachgewiesen werden. Seine eigenen Worte leiten
auf den Weg. Der Cyclus, den er beschreibt, enthielt die ge-
sammte Götter- und Heldensage von der Vereinigung des Himmels
und der Erde bis zur That des Telegonos, und zweitens stimmte
er in der Genealogie der Cyclopen und Hekatoncheiren mit Hesiods
Theogonie. Welches Werk hat mit dem Cyclus des Proklos diese
beiden Eigenschaften gemein? Allein das mythologische Handbuch,
die sog. Bibliothek ApoUodors, wie sie uns heute vorliegt. Auch
sie stimmt zu Anfang mit Hesiods Theogonie überein, was noch
deutlicher als bei Proklos durch die hinzugefügten Namen und die
genauere Beschreibung der Cyclopen und Hundertarme hervortritt.
Und die Grenzen dieses Buches und sein Inhalt können kaum
besser und knapper gezeichnet werden, als dies Proklos thut —
in Beziehung auf seinen Cyclus. ^J
Auf dieses selbe mythologische Handbuch sind wir schon ein-
mal durch Proklos geführt: er .hat aus ihm — wenn auch wohl
Dicht aus Apollodor selbst, so doch einem Bruder — die Inhalts-
angaben der troischen Epen geschöpft. Daneben hatte sich noch als
zweite Quelle ein litterarisches Compendium gezeigt, dem er die
Angaben über die Buchzahl und die Verfasser der Gedichte ent-
nommen hat. Es kann jetzt wohl nicht mehr zweifelhaft sein, aus
welcher von beiden Quellen er seine Angaben über Inhalt und
Umfang des epischen Cyclus entnommen hat. Um noch die letzte
Bestätigung zu erhalten, vergleiche man die Worte des Proklos
mit dem Anfange der Apollodorischen Bibhothek.
1) Das gilt besonders von Photius bibl. cod. 186.
Hermes XXVI. 40
626 E. BETHE
Proklos
aQX^tai €x %rjq Oiqavov nai
Apollodor
Ovgavdg . . . yrfjiag
r^g fivd'okoyovfiiyrjg fii^ewgj' Fijv
ff lyg avTol (Welckcr, avjtp)' itixvijae nqwxovg %ovg kyta-
%a\ %Q€ig naidag ixato^Taxeigag I %6yx^^QCtg nQoaayoQBv-d^ivvag
BQiaQewVf Fvtjv^ K6%%ov . . .
ncti TQelg yevvüßoi Kvaltonag* fteta Tovtovg de . . . Kvakiortag
'^^Qyr^y 2t€Q6firjv Bqovttjv.
Diese UebereinstimmuDg ist um so schlagender, als beide im
Gegensatz zu Hesiod, ihrer letzten Quelle, an erster Stelle die
Hundertarme nennen. Also das mythologische Handbuch ist der
Cydus des Proklos: auf dies passt alles: Umfang, Inhalt, und von
ihm konnte mit Recht gesagt werden anovda^etai xoig nokXoTg
ovx ovtio iiä Ti}y age%i^v cJg dta xiyy moXov^iav twv iv avrtp
ngayfiaTiav»
Daraus folgt nun aber nothwendig, dass dies Handbuch als
xvxXog bezeichnet worden ist. Schon Welcker hat es P 83 fQr
einen xvxlog erklärt. Und in der That hat es ein ähnliches
grosses mythologisches Werk dieses Namens gegeben ^lovvaiov
xvxXog lazoQixbg sv ßißXioig l'f.*) Die Anordnung dieses ge-
lehrten Sammelwerkes scheint genealogisch und der ApoUodors
ähnlich gewesen zu sein. Im ersten Buche waren nämlich Argos
(schol. Eur. Phoin. 1116) und Herakles (schol. Pind. N. III 104)
behandelt; im fOnften war der Raub des Palladion (Clemens Protr.
p. 14), im sechsten das Abenteuer des Odysseus bei den Cyclopen
(Athen. XI 481 E) erzählt. Ebenso giebt Apollodor die Sagen von
Argos und Herakles dicht nacheinander in demselben Stammbaume,
und auch bei ihm standen der troische Krieg und die Schicksale
des Odysseus am Schlüsse. Dionysios dürfte also wohl wie Apollodor
die gesammte Mythologie vorgetragen haben und mit demselben
Rechte wie jenem Werke kam diesem der Titel %vxXog zu, der
ihm viel besser ansteht, als das nichtssagende BißXio&i^xrj. Aber
der Titel xrxXog war gefährlich : an dem Buche des Dionysios be-
zeichnete er den ganzen grossen Kreis der griechischen Sage; da-
1) Bei Soidas steht C't aber seine Handschrift, welche der Gompilator der
'Eodokia* benutzte, hatte wohl das richtige s : denn Citate ans dem sechsten
Buche geben Odysseussagen, die doch höchst wahrscheinlich am Schiasse
standen.
PRORLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 627
neben gab es den iniTibg xvxXog, der sicher nicht denselben Um-
fang halte, sondern nur einen kleinen Theil der Sage umfasste,
so viel wir feststellen können , nur die Mythen des thebanischen
und troischen Krieges und ev. die Titanomachie. Dionysios hat
in seinem Cyclus für die Darstellung der Kämpfe um Troia und
der Nosten sicherlich die Gedichte des epischen Cyclus als die
Hauptquellen benutzt, von dem Cyclus des Apollodor steht das
fest: so ward der epische Cyclus von dem mythologischen Cyclus
verschlungen.') Dieser fand in unzähligen längeren und kürzeren
1) Ich kann mir oicht versagen, bei dieser Gelegenheit freilich mit aller
Reserve die Vermuthung auszusprechen, welche sich mir schon bei der Abfassung
meiner Dissertation aufdrängte, dass Ed. Schwartz (de Dionysio Scytobrachione)
mit Recht diesen xixXos des Dionysios — der vom Skytobrachion streng zu
sondern ist — als das grosse Werk bezeichnet hat, dem wir schliesslich doch
zum grossen Theil die Kenntniss der griechischen Mythologie verdanken, dass
dieser xvxXog des Dionysios die gemeinsame Quelle für Diodor, Apollodor,
Hygin u. s. w. ist. Strict beweisen lässt sich das nicht, aber mehreres
spricht dafür. 1) wäre es höchst wunderbar, wenn von dem Epoche machen-
den Werke selbst, aus dem Apollodor u. s. w. geflossen sind, gar keine Nach-
rrcht erhalten wäre; und noch viel wunderbarer wäre es, wenn der xvxXos des
Dionysios nicht eine grosse Wirkung gehabt hätte. — 2) Beide Werke, das
vorausgesetzte vorchristliche mythologische Handbuch und der xvxXog des
Dionysios waren einander sehr ähnlich. Denn beide hatten in reichster Fülle
die verschiedenen Sagenversionen gesammelt und mit Quellenangabe aufge-
zählt. In beiden waren am Schlüsse der troische Krieg und die Irrfahrten
des Odysseus erzählt. — Auch die genealogische Anordnung scheint der itvifXos
des Dionysios mit Apollodor gemein gehabt zu haben. Da aber das Geschlecht
des Inachos (Argos und Herakles) im ersten Buche des Dionysios abgehandelt
war, müsste man annehmen, dass PseudoapoUodor — aus welchem Grunde
freilich, bliebe unklar — die Reihenfolge der Stammbäume derart geändert
habe, dass er den des Inachos an zweite, den des Deukalion an erste Stelle
gesetzt. In der That kommt dem Inachos als dem Sohne des Okeanos und
der Tethys, dem ersten Menschen, resp. Vater des ersten Menschen Phoroneus
(Paus. II 15, 5) der erste Platz mit mehr Recht zu, als dem Sohne des Prome-
theus Deukalion. Auch zeigt Apollodor I 7. 1 deutlich^' die Fuge aXXa negl
fiky TovTwy (Göttersage) ^»?/^« tov 6tvQ0 fifjuv XeXi^&ü}, — 3) Nicht nur
kehrt, was schol. Pind. N. III 104 aus dem xvxXog des Dionysios mittheilt,
bei Apollodor II 11, 4, 6, Hyg. fab. 162, 32, schol. vet Lycophr, 38 wieder,
auch was nach schol. Phoin. 1116 Jiorvciog iy i(ß ngwiff tov xvxXov ge-
geben, ist bei Apollodor II 1, t, 2 und 3 zu lesen (vgl. schol. ß 120; Paus,
n 16, 4; Servius Jen, VII 790). Siehe Ed. Schwartz de Dionysio Scyto-
brachione 58. — Die neuen Apollodorstücke haben leider keine weiteren Be-
weise geliefert. Evidenz ist weder jetzt zu gewinnen, noch je zu hoffen.
Die Wahrscheinlichkeit ist aber nicht gering. Wir hätten uns den xvxXos
40*
628 E. BETHE
Handbüchern immer grössere Verbreitung, jener trat immer mehr
zurück, da man seine Gedichte nicht mehr las und ihren Inhalt
in jenem grösseren Cyclus fand. Es ist, meine ich, nur natürlich,
dass bald Verwirrung entstand, und dass das Publicum, da es den
epischen Cyclus als eine Sonderexistenz nicht mehr kannte, ihn
mit dem ihm vertrauten Cyclus der Gesammtmythologie identificirte.
Dass wirklich in späterer Zeit als 6 xüx^oc; nicht der epische,
sondern der mythographische galt, hat schon Ed. Schwartz (de schoL
Rom, 437) an dem Schol. /^ 120 gezeigt. Dies giebt eine Genea-
logie des Argos wq ev t<^ xvyclq) q)€Q€Tai, während die Ver-
gleichung mit schol. Phoin. 1116 beweist, dass diese Jtovvaiog
ev v(p ngwTq) %ov xvkXov vorgelegt hat. Bei Proklos liegt die-
selbe Identification vor. Vielleicht hat sie schon Atbenäus gemacht.
Denn während es durch die übereinstimmenden Zeugnisse des
Scholiasten zu Eur. Phoin. 1116, des Clemens (Protr. 4 p. 14) und
des Suidas (s. v. Jiovvaioq MiX.) über allen Zweifel steht, dass
des Dionysios Werk xi;xXog hiess, wozu vortrefflich die Bezeich-
nung desselben als yLV%koyQaq)og im schol. Eurip. Or. 988 und bei
Tzetzes (Chil. XII 184) passt, citirl Atbenäus zweimal (XI 477 E,
481 E) diovvaLog 6 2dfÄiog ev toIq negi lov xixAov.*)
Ganz richtig bemerkt Welcker 1 2 75 : 'er muss dabei entweder an
den Stoff gedacht haben, den allgemeinen Mylhenkreis, nach dessen
Umfassung das Buch selbst Kreis hiess, oder auch, wiewohl irrig,
den epischen Cyclus, wenn ihm bewusst war, oder er voraussetzte,
dass die in diesem enthaltenen Mythen auch von dem Cyclus des
Dionysios die Hauptgrundlage ausmachten'.
Des Proklos Angaben haben sich für den epischen Cyclus als
unergiebig gezeigt. Da sie für die Vorstellungen desselben bisher
als Grundlage gedient haben, und diese also mit ihnen fallen,
taucht nun von neuem die Frage auf: was ist der epische Cyclus?
Methodisch müssen wir uns an die andere überlieferte, bisher bei
Seite geworfene oder mit Proklos wohl oder übel verbundene
Definition im Clemensscholion zum Protrepticus II 30 wenden:
des Dionysios also ganz in der Art wie Apoliodor nar reicher zu denken. Von
rationalistischer Tendenz ist nichts zu spüren. Diese Annahme ist nur aus der
falschen Identificirung dieses Dionysios mit dem Skytobrachion entstanden.
1) G. Müllers Hinweis auf KUaQxos negl ßioty Athen. XII 515 E kann
nicht Tie^i xvxXov für xvxXog vertheidigeo , über JMoiQog iv xols tibqI ßi-
ßXio&rixfis 8. Kaibel zu Athen. XII 541 F.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLÜS 629
xvyiXiKoi di KaXovvtai noirjtal ol td xvxXq) rr^g ^IXiadog rj vä
ngdita ^ %a f4€Tay£viaT€Qa [fi|] avtuiv nov 'Of4.rjQcxwv avyygd^
jpavTcg. Von Wilamowitz hat Hom. Uaters. S. 357 gezeigt, wie
ungeschickt diese Definitioo für den ist, der die Entstehung der Be-
deutung der Worte xvxlog und xvxXi^og erklären will. Er ver-
wirft sie hauptsächlich, weil ihrer Ableitung des Wortes ytvxliyiog
nicht xvxXog, sondern der adverbial gebrauchte Dativ xvvikfp zu
Grunde gelegt ist. Aber die ganze Fassung dürfte doch dem
Scholiasten gehören, und es fragt sich, ob seiner Definition nicht
eine richtige Vorstellung zu Grunde liegt. Nach ihm sind cyclische
Epen die, welche Ante- und Posthomerica behandeln, sich wie
ein Kranz um die Ilias legen. Die Posthomerica reichen von
dem Tode Hektors und dem Eingreifen der Penthesilea bis zur
Zerstörung Ilions und weiter bis zur Heimkehr des Odysseus und
zu seinem Tode. Machen nun die Antehomerica allein die Sagen
aus, die wir uns bei Nennuog der Kmcgia vorstellen? Ist der
troische Sagenkreis wirklich so ganz in sich geschlossen? Die
grosse Heldenthat vor dem Zuge nach Troia ist die Eroberung
Thebens, von den Heroen, die sie vollbracht, steht mehr als einer
vor Ilios, unter ihnen Diomedes, der Herrlichsten einer, die mit
Agamemnon zogen: die Züge der Sieben und der Epigonen
werden in der Ilias vorausgesetzt. Für die Vorstellung der Alten
gehörten diese noch viel enger mit dem troischen Kriege zu-
sammen, als für uns, die wir doch auch gewohnt sind, sie in
unseren Mythologien dicht nach einander zu lesen. Ich erinnere
an die Alkmäonis, jenes korinthische Epos des sechsten Jahr-
hunderts, welches in der That die Sagen der Epigonen mit
denen von der Heerfahrt Agamemnons gegen Troia in die aller-
engste Beziehung gesetzt hat^ ; ich erinnere an das Scholion ^ 5 (A)
mit den Anfangsversen der Kyprien, in welchem der thebanische
Krieg nur als Vorspiel des troischen aufgefasst ist, beide von Zeus
erregt, um die Erde von der übergrossen Menschenlast zu be-
freien; ich erinnere an Hesiod, der (Op. et Dies 160) erzählt, das
vierte Geschlecht, das der Heroen, sei durch Krieg zu Grunde
gegangen: vor Theben fielen die einen, vor Troia die anderen.
So eröffnet sich wenigstens die Möglichkeit, auch die thebanischen
1) Das hat Immisch Klaros (XVII. Supplbd. zu Fleckeis. Jahrb.) S. 182
bewiesen.
630 E. BETHE
Epen unter den Werken der cyclischen Dichter zu verstehen ol
ra TtQutta avtwv tiSv 'OfÄrjQmwv ovviyQaxpav, Nehmen wir
diese Möglichkeit an, so stimmt diese zweite Definition mit dem
statistisch festgestellten Thatbeslande, dass nur Epen des theba-
nischen und troischen Kreises, aber jene ebenso sicher wie
diese, als cyclische bezeugt sind, und ebenso mit den Stellen der
Ars poetica (136. 146), wo Horaz an Dichtern eines troischen und
eines thebanischen Epos als an cyclischen exemplificirt. Bedenken
wir nun, dass der Gomplex der thebanischen und troischen Mythen
nicht nur inhaltlich ein geschlossenes Ganzes bildet der übrigen
Sagenmasse gegenüber, sondern dass die Epen desselben sich auch
formell von den anderen Epen unterschieden haben werden, da
sie in der älteren Zeit durchaus unter Homers Namen gingen, die
anderen dagegen den Namen Hesiods trugen und dieses oder jenes
meist mutterländischen Epikers, dagegen nur ganz vereinzelte, wie
z. B. Olxaliag alwaig unter anderen auch dem Homer zuge-
schrieben wurden, so erscheint es, meine ich, verständlich, dass
gerade jene homerischen Epen des thebanischen und troischen
Kreises zu einem hvkIoq zusammengestellt wurden, der gegen die
übrigen Epen ebenso scharf begrenzt ist, wie in sich geschlossen
und abgerundet. Dies ist im Anfange des dritten vorchristlichen
Jahrhunderts geschehen: an Alexandreia und an den Gelehrten
zu denken, welcher dort die epische Litteratur zu sichten und zu
ordnen hatte, liegt doch am nächsten. ^) Der Name yivxlog wurde
diesem Theile der epischen Poesie gegeben wohl wegen seiner
inneren Zusammengehörigkeit und äusseren Abgeschlossenheit.
Schwerlich hat schon der Schöpfer des Cyclus wie der Glemens-
scholiast, sich die Ilias als den Mittelpunkt gedacht, da die Sage
an sich, und nicht die einzelnen Gedichte den Kreis ausmachten.
Wohl aber dürfte demselben Homer noch als Dichter dieser von
ihm in jenem Kreise zusammengeschlossenen Epen gegolten haben :
das bezeugt die sich bis in die späteste Zeit haltende Deberliefe-
rung, Homer sei der Verfasser des Gyclus, eine Vorstellung, die
nicht aufkommen konnte in einer Zeit, wo diese Epen dem Homer
abgesprochen und gar anderen Dichtern zuertheilt waren. Die
Autorschaft Homers wird neben der inhaltlichen Zugehörigkeit zum
thebanisch-troischen Sagenkreise der Hauptgrund gewesen sein, ein
1) Siehe Robert 50 Berl. Winckelmaonsprogr. S. 68.
PROKLOS UND DER EPISCHE CYCLUS 631
Epos in den Cyclus aufzuDehmeo. Mit grOsstem Recht hat Welcker
also dieselbe Forderung bei der Wiederherstellung des Cyclus ge-
stellt.
Trifft nun diese Definition des epischen Cyclus das Richtige,
so entstehen einige Zweifel, ob wirklich die Titanomachie , wie
man annimmt, zu demselben gehört habe. Inhaltlich fällt sie doch
aus dem Cyclus heraus, da nach dem Titel und mehreren Frag-
menten zu schliessen, Kampf und Sieg der Götter aber die Titanen
den Hauptinhalt gebildet hat. Dies Ringen der Urgewalten aber
mit dem troischen Kriege zu verbinden, wie das Welcker sehr
kühn auf Grund der Erwähnung des Chiron (Clemens AI. Strom. I
p. 132 Syl.) gethan hat^), ist an und für sich doch nicht gerade
wahrscheinlich und könnte nur bei drängender Noth angenommen
werden. Aber dagegen spricht zunächst die enge Verbindung des
thebanischen Krieges mit dem troischen : diese würde YöUig zer-
rissen werden, wenn zwischen die Epen beider die Titanomachie
geschoben würde, ein fremder Keil, trotz des Chiron, der höchstens
zu der Jugend Achills Beziehungen hat und insofern zu den Ky-
prien, aber gar keine zum thebanischen Kreise. Dazu kommt, dass
die Titanomachie nirgends homerisch genannt wird, ein Argument,
das freilich nichts weniger als durchschlagend ist, da auch bei
mehreren Epen, die Niemand dem Cyclus absprechen möchte, dies
nicht der Fall ist, aber doch erwähnenswerth. Endlich ist die
Titanomachie durchaus nicht sicher als cyclisches Gedicht bezeugt.
Von den zwei Stellen, welche angeführt werden können, lässt
Welcker nur Athen. VII 277 D gelten. Hier wird das Wort iXlog
aus Sophokles und der Titanomachie belegt, und, um wahrschein-
lich zu machen, dass es Sophokles aus eben diesem Epos entlehnt
habe, fügt Athenäus hinzu exciige de 2o(poKXrjg T(p ircix^ xvxXq),
iLg xal oXa ta dgafiata noirjaai naTaxoXov&wv ttj iv Tovtq)
/AV&07ioil<^. Nun hat aber schon von Wilamowitz Hom. Unters.
S. 336 ausgesprochen, dass ^Athenäus die Citate des Sophokles und
der Titanomachie einem Lexicon entnommen hat', dass dagegen
1) Aus diesem Gesichtspuukte ist auch die Notiz bei Tzetzes Ghil. XII 179
zu verstehen und könnte als Beleg gelten : "O/ntjQOff 6 . . . inl xmv 6v o
CTQatHcSv Xeyofieyoff hnaQ^eiP Bijßaix^s^ 'EXXijpojy T€ r^g dia Tijy 'JBAif lyv.
Vgl. Welcker Ep. Cycl. P 189 n. 315.
2) V. Wilamowitz Hom. Unt. S. 345 n. 22 stimmt lebhaft zu.
632 E. BETHE
^die Bemerkung über des Sophokles epische Neigung ihm selbst
angehörl'. Das vermeintliche Zeugniss löst sich also auf. Nur so
viel darf geschlossen werden, Athenäus glaubte, die Titanomachie
gehöre zum epischen Cyclus. Dieser Glaube hat aber keinen Werth
bei einem Manne, der die Begriffe 'epischer Cyclus' und 'mytho*
logischer Cyclus' nicht mehr unterschied. Dies, aus seiner wun-
derlichen Art JiovvaiOQ iv t(p negl xov nvxXov statt Jiovvaiog
iv j<p KviiX(p zu citiren erschlossen, findet hier seine Bestätigung :
denn offenbar konnte nur derjenige, welcher sämmtliche Sagen im
epischen Cyclus enthalten glaubte, behaupten 2oq)oyLl€a oXa %a
dgdfuata noirjaai xaTayLoXovd-ovvta jfj iv zovtip fxv&OTCou(jt.
Noch viel weniger bezeugt die schon von Welcker 1 ^ 89 verworfene
Stelle des Philon von Byblos die Zugehörigkeit der Titanomachia
zum epischen Cyclus. Dieser Mann ist Rationalist ganz im Stile
des Euhemerus und hatte das BedUrfniss wie dieser und Skyto-
brachion sein Elaborat für uralte Weisheit auszugeben. Auf grosse
Glaubwürdigkeit wird er als Genosse dieser Gesellschaft keine An-
sprüche mehr erheben können, die ihm ja auch die Orientalisten
jetzt versagen. Seine Abhandlung über die phoinikische Mytho-
logie läuft nun schliesslich in die Behauptung aus, die Griechen
hätten dieselbe übernommen und in ihrer Neigung zum Fabu-
liren bunt ausgeschmückt. In der stark gekürzten Epitome, die
Eusebius Praep, ev. I 10 p. 39 D aus Porpbyrius giebt , lauten die
betreffenden Sätze so: ol de ^'ElXrjveg tvcpvtt^ Tidpzag vneQßaX-
Xofzevoi, vd fAEV 7iQ(jjta nXelota e^idiciaavTO , tlia xai folg
jigoKOOfirifÄuat TioixlXwg e^eTQaycpdrjaaw , vaig te iwv f^vd^cüv
qdovaig d'iXyeiv inivoovvzeg navjoiwg ifioUiXkov. Evd^ev
^HaloSog ol ts xvxIlxoI nBQnqxrifxivOL x^eoyovlag zoi yt-
yavTO f^axiog xai % iTavOfiiaxlcig BnXaauv löiag f xai ek-
TOfAccg olg avfiTteQUfBQOfAevoi s^evUrjaav jtjv alrjd^eiav. Trotz
der heillosen Corruptel ist doch der Sinn völlig sicher, und dieser
erinnert, wie Bücheier bemerkt, und deckt sich mit jener Herodot-
stelle U 53, wo dieser den ägyptischen Ursprung der hellenischen
Götter und Orakel behauptet und sagt (Hoiodog te xal ^OfirjQog)
eiaiv ol noirjaavteg ^eoyovirjv "Elkrjaiv. Diese Parallele macht
wahrscheinlich, dass der Semit Philon nichts anderes habe sagen
wollen und denselben Gedanken nur moderner {xvxXikoI für Homer)
und präciser {&eoyovlai, yiyavtOfÄoxictCf TCTavo^axlai für ^«o-
yovta) ausgedrückt hat. Dass der Verfasser eine cyclische Titano-
PRORLOS UND DER EPISCHE CYCLÜS 633
machie bezeuge, kann jedenfalls nicht behauptet werden, und wenn
er es direct sagte, bliebe sein Zeugniss immer noch bedenklich.
Je weniger also Ton einem directen Zeugnisse für eine cyclische
Titanomachie die Rede sein kann, desto gewichtiger werden die
gegen ihre Zugehörigkeit zum epischen Gyclus geäusserten Be-
denken. Vorläufig glaube ich sie ausschliessen zu müssen und
meine gezeigt zu haben, dass nur ein Kreis von thebanischen und
troischen Epen der Vorstellung entspricht, welche die Ueberlieferung
vom epischen Cyclus giebt.
Nicht ohne Zaghaftigkeit habe ich diese Ausführungen gegen
die von so ausgezeichneten Gelehrten begründeten und aufrecht
gehaltenen Ansichten vorgetragen. Die Vermehrung des Materials
durch die ApoUodorfunile gab die Veranlassung, die Ueberzeugung,
dass die bisherigen Vorstellungen vom epischen Cyclus unhaltbar
seien, die Verpflichtung.
Bonn, Pfingsten 1891. E. BETHE.
MISGELLEN.
TACITUS ANN. IV 43.
Den Bericht über die processualischen Entscheidungen des
Senats im Jahre 778 beschliessen die Worte:
tunc tractatae Massiliensium preces, prohatumque P. Rutilii
exemplum. natnque eum legibus pulsum civem Zmymaei sibt
addiderant; quo iure Volcacius Moschus eooul in Massilienses
receptus bona ma rei publicae eorutn ut patriae reliquerat.
Volcacius Moschus hatte sich also nach seiner Verurtheilung nach
Massilia ins Exil begeben und dort eine zweite Heimath gefunden:
in das massaliotische Bürgerrecht aufgenommen hatte er sein in
Massilia erworbenes Vermögen der Gemeinde vermacht. Worauf
die Anfechtung dieser letztwilligen Verfügung fusste, wird nicht
gesagt und ist auch nicht zu errathen: die Beschränkung des Erb-
rechts juristischer Personen, an welche Muret gedacht hat, konnte
doch kaum auf die Verhältnisse autonomer Bundesstaaten Anwen-
dung finden: oder wäre die Frage aufgeworfen worden, ob Moschus
wirklich durch die Aufnahme in den Staatsverband von Massilia
seine römische Bürgerqualität verloren habe? Doch dies ist neben-
sächlich: wer war aber dieser Moschus? Schwerlich hätte Tacitus
die Verhandlung für der Erwähnung werth erachtet, wenn er nicht
bei seinen Lesern ein allgemeineres Interesse an der in Frage
stehenden Persönlichkeit voraussetzen durfte. Und in der That
lässt sich dieselbe mit ziemlicher Sicherheit nachweisen, man höre:
Moschus hie Pergamenus fuit rhetor notissimus; rem vene-
ficii fuit, cuius caussam ex primis tunc oratores egerunt Tor-
quatus hie de quo nunc dicit (sc. Eoratius)^ cuius extat oratio
et Äsinius Pollio, Porphyrio ad Horat. epp. I 5, 9.